Tierisches und Allzumenschliches

MARIONETTENTHEATER / TIERISCHE TRILOGIE

16/06/23 Der Stier, der auf der Wiese lieber die Ruhe genießt als sich wie ein „normaler“ Vertreter seiner Art zu benehmen, der in der Arena solange an den Blumen im Haar einer schönen Dame schnuppert, bis ihn die entnervten Stierkämpfer auf seine Wiese zurückschicken: Ein recht unwahrscheinlicher, aber liebenswerter Friedensheld.

Von Gottfried Franz Kasparek

Karneval der Tiere – Eine animalische Trilogie feierte am Mittwoch (15.6.) im Marionettentheater erfolgreiche Premiere. „Siebzig Minuten tierisches Vergnügen“ halten, was sie versprechen. Jüngere wie ältere Leute ergötzen sich an Bildern, Puppen und Musik. Wie schön, dass die ersten drei Vorstellungen mit Live-Musik stattfinden, dank einer Kooperation mit der Universität Mozarteum.

Der im besten Sinne bunte Abend beginnt mit der Geschichte von Babar, dem kleinen Elefanten von Jean de Brunhoff, zu der Francis Poulenc eine Reihe tänzerischer,  pfiffiger und charmanter Klavierstücke geschrieben hat. Sie erklingen diesmal in einer vierhändigen Version, die offenbar vom südkoreanischen, in den USA lebenden Komponisten Paul Yeon Lee stammt, was der Programmfolder leider verschweigt. Die Erzählerin kommt vom Band und ist, unverkennbar und eindringlich, Hanna Schygulla.

Für ein atmosphärisch verschachteltes, stimmungsvoll ausgeleuchtetes Bühnenbild und sehr leibhaftig wirkende, kindgerechte Figurinen der Elefantenfamilie samt witzigen Kostümen sorgte Herbert Kapplmüller, für die lebendige Regie Lisa Stumpfögger. Am Ende feiert Babar, der verwaiste, in der Stadt von einer lieben alten Dame verhätschelte Elefantenbub, fröhliche Hochzeit mit seiner Cousine Celeste.

Diese früher sehr häufige Verwandtenehe erinnert uns daran, dass Poulenc die Musik 1940 am Land für seine Cousins komponiert hat – da war mitten im Krieg die alte Welt noch in Ordnung. Wer sich an der Vermenschlichung der Tiere stößt, möge bedenken, dass Elefanten sehr gescheite und soziale Wesen sind.

Auch Ferdinand, der Stier von Munro Leaf ist ein Kinderbuch-Klassiker aus den Dreißigerjahren. Der Stier, der auf der Wiese lieber die Ruhe genießt als sich wie ein „normaler“ Vertreter seiner Art zu benehmen und in der Arena solange an den Blumen im Haar einer schönen Dame schnuppert, bis ihn die entnervten Stierkämpfer auf seine Wiese zurückschicken, ist ein zwar unwahrscheinlicher, aber liebenswerter Friedensheld.

Die Umsetzung gelingt hier eher abstrahierend, es gibt nur eine, für eine Marionette recht große und kantige, ein wenig an Bilder von Picasso erinnernde Figur und Stellwände mit Schwarzweiß-Symbolen spanischer Natur. Die versierten Puppenspieler Vladimir Fediakov (er hat den Stier auch gebaut) und Max Kiener-Laubenbacher sind in voller Größe bei ihrer Kunst zu bewundern.

Philippe Brunner hat das konzis inszeniert, Matthias Bundschuh ist der prägnante Live-Sprecher. Dazu passt die virtuose Etüde für Solovioline, die der hierzulande kaum bekannte Brite Alan Ridout zum Stück komponiert hat und die von Benjamin Schmid, der den Abend auch musikalisch leitet, souverän und mit Animo gespielt wird.

Das wahrlich glanzvolle Finale bildet natürlich Der Karneval der Tiere, das vom Komponisten Camille Saint-Saëns nicht sehr geliebte Gelegenheitswerk, das zum Klassiker der gesamten Musikliteratur für Kinder und Jugendliche geworden ist und schon wegen der prachtvollen und melodiösen Theatermusik des noch immer unterschätzen französischen „klassizistischen Romantikers“ auch ältere Semester beglückt.

Angeführt von Benjamin Schmid, musizieren Studierende (müsste das nicht in diesem Fall Musizierende heißen?) des Mozarteums die originale Kammermusik mit hörbarer Lust, ergänzt durch Roberto Di Ronza, der seinem Kontrabass ein wundersam pointiertes Porträt eines Elefanten entlockt. Das zweite berühmte Solo, den Cello-Schwan, spielt Jeremias Fliedl mit feinem Sentiment und Gusto. Der Wasservogel ist in der textlichen Neufassung von Matthias Bundschuh. In seinen Händen liegt auch die akzentuierte Regie und das farbenreiche Bühnenbild.

Da ist ein sich in einen weißen Ballett-Schwan hinein träumender Lehrer und das ganze Stück spielt in einer Schulklasse und auf deren Ausflügen. Das ergibt köstliche Szenen: Der Esel, der auf Avantgarde-Musik sehr animalisch reagiert und was fallen lässt (im Original ist er übrigens eine „Persönlichkeit mit langen Ohren“, also ein Kritiker). Der Pianist der sein Instrument kaputt schlägt. Eine jugendliche Variante von „Susanna im Bade“ und schließlich die Fossilien-Szene, in der auf der Bühne ein Xylophon spielendes, sehr sympathisches Skelett zu bewundern ist. Die schönen Töne dazu kommen von David Hödlmoser.  Die Puppen bauten in bester Tradition und mit viel Phantasie Barbara und Günter Weinhold. – Hingehen , Ansehen, Anhören!

Die Produktion steht im Marionettentheater noch heute Freitag (16.6.) um 19.30 und am Samstag (17.6.) um 16 Uhr mit Live-Musik auf dem Programm. Bei den weiteren Aufführungen ab 12. Juli wird die Musik vom Band kommen – marionetten.at
Bilder: Marionettentheater / Bernhard Müller