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Leben. Sterben. Auferstehen.

INTERNATIONALE PAUL HOFHAYMER GESELLSCHAFT / RESPONSORIEN

14/04/14 Christus steigt nach seiner Kreuzigung in die Unterwelt hinab und befreit die Seelen der Gerechten seit Adam. „Klage, mein Volk, wie eine Jungfrau! Ihr Hirten, wehklagt in Sack und Asche! Denn gekommen ist des Herrn großer und so bitterer Tag.“ Das Hofhaymer Ensemble widmete sich dem düstersten Kapitel der Liturgie der Kartwoche - den Responsorien des Karsamstags.

Von Stefan Reitbauer

Muse, Musik und Mord: So könnte man das Leben des Carlo Gesualdo, Principe di Venosa, zusammenfassen. Seine musikalischen Musen küssten ihn zu großer Kunst in der Vokalpolyphonie des 16. Jahrhunderts - der er im Unterschied zu Monteverdi sein ganzes schöpferisches Leben lang treu geblieben ist. Dass die tödlichen Dolchstöße gegen seine Frau und deren Liebhaber tatsächlich von Gesualdos Hand ausgeführt wurden, kann nicht mit Gewissheit behauptet werden. Unsere Sensationslust (und die Oper „Luci mie traditrici“ von Salvatore Sciarrino) legen uns die Vermutung der Historiker jedoch wärmstens ans Herz. Wie so oft lassen bewegte Lebensgeschichten die Werke großer Künstler in allerlei schillerndem Licht strahlen und in diffusen Schattengebilden ins Dunkle wandern.

Carlo Gesualdos Vertonungen der drei Responsorien des Karsamstags erlebten jedenfalls in der Christuskirche am Abend des Palmsonntags (13.4.) eine Aufführung, die in ihrer Strahlkraft, ihrer zurückhaltenden Noblesse und in der präzisen Ausgestaltung der (mit bedrückenden Dissonanzen und beengender Chromatik angereicherten) harmonischen Gebilde einen tiefen Eindruck hinterließ.

Die Sopranistin Ursula Langmayr besticht mit angriffslustiger freudvoller Stimmpräsenz. Die Altistin Bernadette Furch zeichnet feine Linien nach und bereichert mit dem Altus Rudolf Brunnhuber mit warmen Klangfarben die komplexen Harmonien. Souverän agieren die Tenöre Bernd Lambauer und Tore Tom Denys. Ulfried Staber legt mit sonorem Bass die Basis für die sicher gesetzten Tontürme.

Die konzentrierte Stille im Kirchenraum gab Zeugnis von der immensen Bereitschaft zum Zuhören, zum Aufsaugen der Klänge. Gesualdos Musik reichert die düsteren Texte mit weiteren Bedeutungselementen an, gibt ihnen tieferen Sinn - und das Ensemble bedient sich in direktem Zugriff der freiliegenden Emotionen des Publikums. Eine Zuhörende meint in der kurzen Pause: „Gänsehaut vom ersten bis zum letzten Ton.“ Dem ist nichts hinzuzufügen.

Die Komponistin Sofia Gubaidulina beeindruckt, wie Gesualdo, mit einer besonderen Lebensgeschichte. Geboren 1931 in Tschistopol in der Sowjetunion, studierte sie in Kasan und Moskau. Als Komponistin war sie in ihrer Heimat ständigen Repressalien ausgesetzt, ihre Musik wurde als „pflichtvergessen“ abgestempelt. So übersiedelte Sofia Gubaidulina 1992 nach Deutschland. Für die zurückgezogen lebende gläubige Russisch-Orthodoxe ist, wie sie selber sagt, das Komponieren ein Akt tiefer Religiosität.

Ihre Komposition „Raduysya“ (Rejoice! Freue Dich!), eine Sonate für Violine und Violoncello in fünf Sätzen aus dem Jahr 1981, präsentierten Ivana Pristasova und Peter Sigl im zweiten Konzertteil. Das „Freue Dich“ aus dem Titel des Werks kommt dem Zuhörer nicht automatisch zugeflogen in dieser beeindruckend präzisen Interpretation. Ist es gar eine verbitterte, sarkastische musikalische Reflexion eigener Lebensgeschichte? Ambivalent auch die Klangwelt, von der die Christuskirche erfüllt wird: unzählige Flageoletttöne, die im tonalen Horizont Dur-Dreiklänge über die Köpfe der Zuhörer hinwegflirren lassen. Und daneben fließen trauernde chromatische Linien, aufgefädelt, wie Tränen an einer unsichtbaren Schnur. Eine Musik mit Hintergrund, mit Geschichte. Und Musik, die wach macht und tiefe Versunkenheit erfordert. Ambivalenz auf allen Ebenen. Leben. Sterben. Auferstehen. Gänsehaut vom ersten bis zum letzten Ton…

Bilder: www.gesualdoconsort.nl;dpk-klaba

 

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