Die „Dark Lady“ und die dunkle Seite der Liebe

KULTURVEREINIGUNG / SENTA BERGER

17/10/14 Erotische Skandalgeschichten am Hofe Elizabeth´s I., verbotene Liebelei mit einer schwarzen Äbtissin oder doch alles nur verklärte Hirngespinste? Rätselhafte Reminiszenzen in literarischer und musikalischer Form zum 450. Geburtstag William Shakespeares.

Von Stefan Reitbauer

„Two loves I have of comfort and despair, which like two spirits do suggest me still, the better angel is a man right fair, the worser spirit a woman colour'd ill.“ So heißt es in Shakespeares Sonnet 144 - zwei Herzen wohnen, ach, in meiner Brust, um mit Goethe zu sprechen. So geht es dem alternden, liebenden Shakespeare. Getrieben von unbändiger Lust und inniger Liebe zu seiner Dark Lady, taumelnd vor – offenbar berechtigter – Eifersucht. Wie in seinen Dramen und Komödien, bekommt der Leser seiner Sonette alles zu spüren, was das Leben so zu bieten hat.

Senta Berger erzählt, erklärt und liest. Lebenswelten, soziale und künstlerische Ideale vergangener Zeiten tun sich auf, historische und nur schwer belegbare Namen werden nebeneinander zum Leben erweckt. Und Senta Berger fesselt. Das Publikum einerseits, scheinbar andererseits auch die Nürnberger Symphoniker, die mit der Filmmusik zu „As You Like it“ von William Walton, der Konzertouvertüre zu „Othello“ von Antonin Dvorak und der „Dramatischen Symphonie – Romeo et Juliette“ von Hector Berlioz gar grob inspirationslos in die erste Hälfte des Abends starten. Anspruchsvolle Stücke wohlgemerkt, die mit ausgesetzten Höhepunkten geizen, und in ihrer über weite Strecken dominierenden Zerbrechlichkeit und Komplexität vom Orchester in vertikal musizierte Einzelteile zersägt dem Publikum vorgesetzt werden. So mancher zaghafte Bogenstrich purzelt rasch verklingend ins Publikum. Alexander Shelley vermag mit seinem Taktstock die Löcher in den romantischen Melodiebögen vorerst nicht zu stopfen.

Senta Berger eröffnet mit verruchter Stimme die zweite Hälfte und zitiert doppeldeutige Verse und derbe Wortspiele. „Will“ ist demnach nicht nur der Spitzname des Dichters (nachzulesen im Sonett 135). Bei aller hingebungsvoller Liebe eröffnet sich für Shakespeare in den Wirren um seine geheimnisvolle „Dark Lady“ immer mehr der Blick auf die dunkle Seite der Liebe. Ob die Angebetete nun rein äußerlich auffällige schwarze Merkmale trägt oder doch ihre Charaktereigenschaften ins Finstere abgleiten, bleibt Spekulation. Der Vortrag dieser Mysterien lässt auf jeden Fall nichts zu wünschen übrig. Senta Berger spielt mit Sprachtempo und -rhythmus, lässt vielfältige Stimmregister aufblitzen und vermag unter Umständen auch bei den abgebrühtesten Zuhörern ein bisschen Mitgefühl für den Gepeinigten aufleben zu lassen.

Das Orchester lässt sich nach diesem erotischen Exkurs auch nicht mehr lumpen und startet demnach furios in Verdis Ballettmusik aus dem dritten Akt von „Macbeth“. Das Blech versteht es zu glänzen und die Streicherabteilung absolviert engagiert und sauber die dichten Notengirlanden. Spektakulär und eindrucksvoll führt Alexander Shelley sein Orchester durch die wogenden dramatischen Wellentäler von Tschaikowskis Fantasie-Ouvertüre „Romeo und Julia“. Wenn sich in der bekannten Familienfehde die Klingen kreuzen, kommen die Shakespeare-Reminiszenzen zu einem fulminanten Ende im fortissimo possibile. Die Nürnberger Symphoniker können sich nach der Pause beträchtlich steigern. So agiert auch Alexander Shelley nun souverän und elegant. Mit dem „Tanz der Ritter“ von Sergej Prokofjew endet ein außergewöhnlich und spannend konzipierter Abend mit Licht- und Schattenelementen, der wohl nicht alle hohen Erwartungen erfüllen konnte.

Das Konzert wird heute Freitag (17.10.) um 19.30 Uhr im Großen Festspielhaus wiederholt – www.kulturvereinigung.com
Bild: Salzburger Kulturvereinigung