Die Hexe als Gruselclown

LANDESTHEATER / FELSENREITSCHULE / HÄNSEL UND GRETEL

31/10/16 Zu Halloween auftauchende Horrorclowns sind zwar nicht neu, aber derzeit ufert die Sache schon erschreckend aus. Die Märchenoper „Hänsel und Gretel“ von Engelbert Humperdinck nimmt in der Neuinszenierung von Johannes Reitmeier in der Felsenreitschule mit der allgegenwärtigen Clownhexe aktuellen Bezug darauf.

Von Elisabeth Aumiller

Johannes Reitmeier macht damit in seiner Operninszenierung von „Hänsel und Gretel“ die traurige Aktualität zum Zentrum des Märchenspiels. Die Knusperhexe ist als Gruselclown der Drahtzieher des Geschehens. Bereits während der Ouvertüre lockt die schillernde Clownfigur als Luftballonverkäufer die Kinderschar und verwandelt sich dann mit Horrorfratze zum Schreckgespenst der kreischend fliehenden Kinder.

Die Clownhexe, von Franz Supper brillant gespielt und gesungen, zieht stets gegenwärtig die Fäden im Stück. In verführerischer Nettigkeit kauft der Clown dem Vater Besenbinder seine Ware ab, bringt der Mutter die Essensvorräte im gefüllten Einkaufswägelchen und ersetzt den Kindern den zerbrochenen Milchkrug. Hänsel repariert mühsam sein altes Fahrrad, also tut ein schicker neuer Drahtesel seine Wirkung als Lockmittel zu dem mit Mozartkugeln dekorierten Lebkuchenhäuschen. Im aus Holzstangen stilisierten Wald werden die Kinder zuvor vom Clownhexenmonster irregeführt. Die als Engel gekleideten Kinder wachen dann über den Schlaf von Hänsel und Gretel

Reizende Effekte sichert die einbezogene Felsenarkaden-Kulisse. In den erleuchteten Bögen erscheint die große Schar der Kinderengel vom Salzburger Festspiele und Theater Kinderchor, woraus dann die vierzehn Englein unmittelbar die Schlafenden schützend umringen. Bei den Hokus-Pokus-Verführungskünsten des Hexenclowns ist der Hexenritt des Akrobatdoubles, das hoch oben am Seilzug sausend die Bühne quert, ein kräftig applaudierter Gag. Große Wirkung haben auch die rotglühenden Felsenarkaden beim Verbrennen der Hexe im lodernden Feuer des Ofens. Hänsel und Gretel, glücklich wieder mit den Eltern vereint, stimmen gemeinsam mit der aus den Lebkuchen erlösten Kinderschar den Refrain an: „Wenn die Not aufs Höchste steigt, Gott der Herr die Hand uns reicht“. Just in diesem Moment erscheint wieder der Hexenclown mit den Luftballons. Fazit: Das Böse ist nicht auszurotten, es wird uns überall und immer neu begegnen und zu verführen versuchen.

Die Palme des Abends gebührt dem Mozarteumorchester, das unter Adrian Kelly Humperdincks wunderbare Musik zum Leuchten bringt und das Auditorium der Felsenreitschule in die Zauberklänge in Wagner-Dimension eintaucht. Den bekannten Volksliedzitaten mischte Humperdinck eigene Melodien im Volkston hinzu. Das Mozarteumorchester bringt die schlichten Weisen eingängig phrasiert, filigran zart bis tänzerisch beschwingt und lässt im Gegenzug die üppigen Klangwogen vollmundig aufrauschen zum herrlichen Klangbad.

Ursprünglich von Humperdincks Schwester Adelheid Wette als privates Märchenspiel für ihre Kinder konzipiert, wurde schließlich die Oper „Hänsel und Gretel“ zum beliebten Repertoire- Bestandteil der meisten Opernhäuser. Der Regisseur sieht das sozialkritische Familienmärchen einerseits als „zauberhafte Kinderoper, aber auch als dunkles Erwachsenenstück“. Er bezieht zusammen mit dem Ausstatter Court Watson die Kulisse der Felsenreitschule mit ein. Große gemalte Haufen geschichteter Holzscheite und viele gemalte Luftballons umgeben die häusliche Atmosphäre der Besenbinderfamilie in einem kleinen Holzhäuschen, das nur zwei Stühle besitzt für den vierköpfigen Haushalt. Danach wird es zum Lebkuchenhäuschen umfunktioniert.

Jukka Rasilainen und Anna Maria Dur reüssieren als stimmgewaltiges Elternpaar. Elisabeth Jansson und Athanasia Zöhrer sind als Hänsel und Gretel ein lustiges spielgewandtes Geschwisterpaar. Beide singen mit klingender Verve und sicherem mühelos wirkenden Stimmeinsatz. Leider lässt die artikulierte Textdeutlichkeit bei der gesamten Besenbinderfamilie zu wünschen übrig. Franz Supper ist der prachtvolle Hexenclown. Rowan Hellier und Tamara Ivaniš geben die reizenden Märchenfiguren des Sandmännchens und Taumännchens. Glänzend singt der Kinderchor, einstudiert von Wolfgang Götz. Einstimmiger großer Applaus am Ende für alle Mitwirkenden.

Weitere Aufführungen bis 18. Dezember in der Felsenreitschule; am 8. Dezember gibt es eine Kurzversion – www.salzburger-landestheater.at
Bilder: Salzburger Landestheater / Anna-Maria Löffelberger