Erfülltes Musizieren und ein Rüpelspiel

UNIVERSITÄT MOZARTEUM / FIGARO

16/05/17 „Le nozze di Figaro“ als erotisches Rüpelspiel, das hat seinen Reiz, ist aber eine einseitige Betrachtung des Stücks. Dass nicht allzu viel von der Eleganz und der Doppelbödigkeit der Partitur auf der Strecke bleiben, dafür sorgt Kai Röhrig am Pult.

Von Paul Kornbeck

Regisseurin und Professorin Karoline Gruber ist natürlich ein Segen für die jungen Sängerinnen und Sänger, die da dreieinhalb Stunden lang über die Bühne des Großen Studios toben. Bewundernswert, wie sie alle das Performative beherrschen, das Herumkugeln, fast Akrobatische, die Körpersprache der Theatermoderne – da verblasst mittlerweile so manche Freie Szene-Produktion. Dass man mitten im turbulentesten Liebesakt auch noch schön, ja berührend singen kann, erstaunt ebenfalls. Denn die Kopulationen und Kopulationsversuche durchziehen das Stück, was freilich in diesem angelegt ist, man braucht nur da Pontes zweideutig eindeutigen Text zu lesen und den lustvollen Trieben von Mozarts Musik zu lauschen. Allerdings, da gibt es auch den Schatten der Französischen Revolution und da gibt es lyrische Verinnerlichung, Ersterer wird unterschlagen, die stimmungsvolle Einheitsbühne Roy Spahns mit viel Grün stellt ein Podium vor Glitzervorhang und Leuchtschrift „Just married“ ins Zentrum. Lyrismen dürfen immerhin die Damen verströmen.

Karina Benalcazar vermittelt nicht nur äußerst glaubwürdig den Sex appeal der dem wilden Treiben durchaus zugeneigten Susanna, sondern findet in der Rosenarie zu Momenten sinnlicher Poesie. Es gibt zwei Sängerbesetzungen. Die, welche am Montag (15.5.) zugange war, erfreute durch Präzision, gute Stimmen und wahrer Lust an der Darstellung. Allen gilt ein Pauschallob, alle haben gute Chancen auf Karrieren, aber Chi-An Chen muss noch genannt werden. Weil er sich den Grafen wahrlich erobert und einen Sexsüchtigen spielt, mit dem man auch Mitleid haben kann. Und weil sein runder, warmer Bariton schon jetzt mehr als ein Versprechen für die Zukunft ist.

Was soll man noch zur Szene sagen? Das Stück wird erzählt, wenn auch ziemlich deftig und knallig. Dass die Gräfin am Ende mit Cherubino vor den Augen des Grafen in einer riesigen Hochzeitstorte verschwindet, die dem ungezügelten Geschlechtsverkehr dient, ist nicht falsch. Denn im dritten Teil der Trilogie des Beaumarchais wird sich herausstellen, dass daraus ein Kind entsprungen ist. Dass im ersten Akt anstatt des Bauernchors Poplärm von heute dröhnt, ist die derzeit moderne, sinnlose Anbiederung an Jugendliche, welche diese gar nicht brauchen. Nach zwei Takten Mozart ist ohnehin klar, wer gewinnt. Dass Personen, die gar nicht da sein sollen, auf der Bühne von den Aktionen und Gefühlen der Singenden ablenken, entspricht auch dem Theater-Zeitgeist. Eindrucksvoll ist die Gräfin, die im ersten Akt wie eine lebende Trauerweide stumm herumsitzt.

Mitunter wird zuviel gelärmt auf der Bühne und es ist schade, wenn dann das Orchester beeinträchtigt wird. Gespielt wird eine sehr zweckdienliche Kammerversion für 12 musizierende Leute von Jörn Arnecke. Dieses Dutzend besticht durch echte Spiellaune und beachtliche Professionalität. Die musikalische Seele des Abends ist Kai Röhrig. Wie transparent und einfühlsam, lebendig und dramatisch spannend er Orchester und Bühne leitet, ist schlicht grandios und empfiehlt ihn in den internationalen Mozart-Olymp. Dieses erfüllte Musizieren im Verein mit der Frische der Besetzung macht den Abend unbedingt hörenswert.

Eine weitere Aufführung heute Dienstag (16.5.) um 19 Uhr im Großen Studio - www.uni-mozarteum.at
Bild: Universität Mozarteum