Innige Bewegung

LANDESTHEATER / KOLLEGIENKIRCHE / DIE TORE VON JERUSALEM

22/05/17 Fischer von Erlachs herrliche Kollegienkirche ist von der Heiligen Stadt Jerusalem inspiriert. Die zwölf Tore spiegeln sich im Grundriss und da passt das Oratorium „Die Tore von Jerusalem“ des Litauers Bronius Kutavičius gut hinein. Die Premiere der halbszenischen Landestheater-Produktion fand große Zustimmung.

Von Paul Kornbeck

Dies ist wohl ein Abschiedsgeschenk für die scheidende Musikdirektorin Mirga Gražinyté-Tyla, welche die Seele dieses Abends ist. Nicht nur als Dirigentin, die mit beschwörenden Gesten das Stück eindringlich inbrünstig zum Klingen bringt, auch als Chorführerin und Sängerin. Bespielt wird ja nach dem Konzept von Biruté Mar der gesamte Raum. Frau Mirga schreitet zu Beginn im weißen Talar, einer Hohenpriesterin der Kunst gleich, ein Lied ihrer Heimat Litauen mit dem Kinderchor singend, vom Altarraum nach hinten, wo ein Teil des Orchesters das „Osttor“ mit Echos japanischer Gagaku-Musik öffnet. Ein irisierender Klangraum entsteht, der sich im Lauf des Abends vielfältig verändert.

Kutavičius komponiert in einem im Grunde minimalistischen Stil jener baltischen Spiritualität, deren Großmeister Arvo Pärt ist. Doch findet er zu eigener Klanglichkeit, ist um avantgardistische Anleihen nicht verlegen, taucht in der Musik des kühlen, aber doch verinnerlicht emotionalen „Nordtors“ tief in Tänze jakutischer Schamanen ein, vertont gar alt-karelische Gesänge von suggestiver Wirkung. Übersetzungen im Programmfolder wären hilfreich.

Das heiße „Südtor“ dagegen wird von afrikanischen Melodien und Rhythmen geprägt, die im Kantor und hochbegabten Tänzer Elliott Carlton Hines einen mitreißenden Interpreten finden, der das Rund unter der Kuppel auch körperlich beherrschen kann.

In diesem Rund haben die sprachlich sehr geforderten Chöre ihre Auftritte, vor dem nach dem „Osttor“ vereinigten Mozarteumorchester im Altarraum. Die Einstudierung haben Stefan Müller und Wolfgang Götz perfekt bewerkstelligt. Bewundernswert, wie gefühlvoll die Dirigentin das Orchester und die singenden Menschen den Tücken der Hallakustik angepasst hat. Der an sich oft schwebende Charakter der Musik kommt dem entgegen, aber auch markante Bläser- und Trommeleinsätze kommen gut zur Geltung, finden Zeit, auszuschwingen. Das klein und fein besetzte Orchester mit Konzertmeister Frank Stadler ist im Geräuschhaften ebenso firm wie im sonoren, geradezu romantischen Melos des „Westtors“, welches das Christentum in vorwiegend lateinischer Sprache offenbart.

Indré Pačesaité hat die Chöre in priesterliches Schwarz-Weiß mit roten Accessoires eingekleidet, alle müssen eng anliegende schwarze Hauben tragen, erst im Finale wird der erwachsene Chor davon befreit, während die immer noch bemützten Kinder Kerzen halten. Biruté Mars Choreographie ist schlicht und atmosphärisch, meistens wird würdevoll geschritten und Hände werden gerungen, die Kinder dürfen mitunter ein wenig laufen. Natürlich sind Chöre keine modernen Performance-Gruppen und so hat das Ganze häufig den Charme des liebenswert Unbeholfenen. Ein wenig mehr Proben hätten dies wohl behoben. Doch bleibt die innige Leuchtkraft von Musik, Raum und Spiel achtzig bewegende Minuten lang bestehen und es entsteht ein großes Friedensgebet.

Weitere Aufführungen am 24. und 28. Mai in der Kollegienkirche – www.salzburger-landestheater.at
Bilder: Salzburger Landestheater / Anna-Maria Löffelberger