Fake news zum Ernstnehmen

TANZ-HOUSE HERBST

11/10/17 Es hat viel gebracht, dass sich freie Kulturschaffende und einschlägig tätige Gruppen 1999 zum Verein tanz-house zusammengeschlossen haben. So wurde das Medium Tanz in Salzburg mit gezieltem Lobbyismus verortet. Der tanz_house Herbst ist eine dieser gut eingeführten Veranstaltungsreihen, mit dem die lokale Szene quasi sich selbst und das Publikum jedes Mal fordert und lockt.

Dass Editta Braun zur ersten Preisträgerin des Großen Kunstpreises des Landes gekürt worden ist, hat natürlich auch mit diesem nachdrücklichen Einsatz zu tun. Sie ist heuer Kuratorin des tanz-house Herbst. Die beiden Choreografen haben in ihrer langen künstlerischen Karriere immer Bezug auf gesellschaftliche, ökonomische und auch politische Entwicklungen genommen. Dass alle Welt von „Fake news“ redet, gibt ihnen natürlich zu denken, arbeiten sie doch in einem Medium, das per se Dinge vortäuscht. „Eines ist sicher: Wir Theaterleute produzieren fake. Immer schon und unausweichlich“, so Editta Braun. „Aber wir stellen den Kontext her, leben in dieser Welt. Wunderbar, wenn es um Fiktion und Phantasie geht.“

Deshalb sei der theatrale fake „keine Täuschung und keine Lüge“, betonen Editta Braun und ihr Kollege Beda Percht im Vorwort zum diesjährigen Programm. „Er ist eine Möglichkeit, ein Wunsch, eine Verzweiflung, eine Realität.“ Eine Realität wohlgemerkt, nicht die Realität.

Was also ist entstanden in den letzten Monaten, vorwiegend im tanz-house Studio? 13 Programmpunkte hat heuer der tanz_house Herbst von 17. - 29. Oktober. Drei Uraufführungen wird es geben.

Kuratorin Editta Braun zeigt zwei Uraufführungen: „4only" ist eine kurze Gastchoreografie der Griechin Maria Koliopoulou für ein junges Team (eben ein Quartett) ihrer Company (21./22.10.). Editta Braun selbst führte für „Close Up 2.0” Regie, zu sehen am 28.10. Die Konzertpianistin Cécile Thévenot arrangiert und interpretiert eigene und Kompositionen von Thierry Zaboitzeff auf dem Flügel. Fünf Tänzerinnen treten als „bodies in concert“ in einen Live-Dialog mit dieser Musik und verleihen den Klängen Körper.

Helene Weinziel liefert mit ihrer cieLaroque die dritte Uraufführung: In „As far as we are" (25./25.10.) manifestiert sich der Eindruck einer beschleunigten Gesamtsituation, die in einem Crash endet. life – society – economy: Wie im Labortest oder bei Crashtest-Dummies werden Leidens- und Belastungsgrenzen ausgetestet.

The Way You Touched Me Tonight” am 17.10. im republic ist die Eröffnungsproduktion. Das Kleiderstück von Tomaž Simatović und Mirjam Klebel beginnt mit der Versammlung des Publikums, das seine Kleidung als Spenden für humanitäre Zwecke zur Verfügung stellen soll. Dieses spezielle Recycling aktiviert ein performatives Ritual, das unseren Blick auf Kleidung schärfen und verändern soll. Die meisten anderen Veranstaltungen des tanz-house Herbst finden in der ARGEkultur statt.

Arthur Rosenfeld und Liz King lernten sich vor wenigen Jahren persönlich kennen und wurden sofort zu Freunden. In ihrem persönlichen, fast intimen Duett „Blind Date“ (26.10.) vereinen sie ihre Erkenntnisse über Tanz und darüber, wie man altert, ohne alt zu werden. Die beiden wissen, worum es geht, denn gemeinsam bringen sie fast hundert Jahre Profi-Erfahrung auf die Bühne,

Yp_Hend” von der Tanzcompany Gervasi ist durch eine kraftvolle Körpersprache gekennzeichnet – abrupte, dynamische Bewegungen stehen für die unerfüllbare Sehnsucht, aus der eigenen Kontrolle ausbrechen zu können. Es sind sich ständig wiederholende Versuch, die eigenen Grenzen zu überschreiten. Eine andere Szenerie der Welt entwickelt auch die inklusive O.K. Dance-Company, mit „Der Blick nach vorne" und „Mein zweites Ich".

Drei Tanzfilme werden gezeigt: „The elusive permanence of being" von Iris Heitzinger, „cicad up“ von Birgit Mühlmann-Wieser und Nicole Baïer und – aus dem Jahr aus 1985 – „Wie alles begann“. Hubert Lekpa beschließt das Festival mit der Performance und Buchpräsentation „Neolit - ein Vorschlagwerk” (29.10., Panoramabar Stadtbibliothek). (tanz_house/dpk-krie)

Tanz-house Herbst von 17. bis 29. Oktober in der ARGEkultur – www.tanzhouse.at
Bilder: tanz_house / Frenzel (1); Kirchner (1); privat (1)