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Entwicklungs-Stillstand?

ARGEkultur / EDITTA BRAUN COMPANY / CLOSE UP 2.0

30/10/17 „Vollzieht sich hier im Zeitraffer die Evolution der Menschheit? Wo liegt die Grenze zwischen menschlichen und animalischen Wesenszügen? Wann schlagen die so beschwingt anmutenden Pianoklänge um in dumpfes Grollen?“, fragte DrehPunktKultur vor zwei Jahren. – Editta Braun hat das Stück „Close up“ weiterentwickelt und präsentiert beim tanz_house Herbst „Close up 2.0“.

Von Heidemarie Klabacher

Der Hügel „vulkanischen“ Gesteins ist der gleiche wie 2015. Es werden auch 2017 wolh nur Schaumstoff-Teilchen sein. Doch das graupelig graue Material könnte auch ein Vulkan ausgespuckt haben lange bevor irgendwelche Saurier die junge Erde haben erbeben lassen.

Von den ersten kaum wahrnehmbaren Mini-Lawinen auf dem grauen Haufen über das Sichtbarwerden irgendwelcher Körperteile bis hin zur „Geburt“ kopflos nervöser Lebensformen zieht sich jedenfalls ein enormer Spannungsbogen, der bis ironisch gebrochenen Finale nicht einbrechen wird.

Spannend der Gegensatz zwischen den nervös-animalischen Bewegungen und statuarischen Posen. Spannend in Editta Brauns weiterentwickelter Choreografie von „Close up“ zu „Close up 2.0“ ist aber auch die live gespielte Klaviermusik mit teils zugespielten elektronischen Klängen. Die Pianistin Cécile Thévenot hat in Zusammenarbeit mit Thierry Zaboitzeff eine klangsinnliche, mehrheitsfähig-zeitgenössische Musik entwickelt, pendelnd zwischen Frederic Chopin und Richard Clayderman oder Claude Debussy und Keith Jarrett.

Manchmal wird das Instrument ein wenig präpariert, etwa ein Buch irgendwo auf die mittleren Saiten gelegt - was immer nette Effekte ergibt. Gegen Ende wirkt die Musik geradezu jazzig improvisiert: Die hervorragende Pianistin Cécile Thévenot hat sich im Wortsinn „frei“ gespielt. Der Abend ist also, auch rein musikalisch betrachtet, ein großes Vergnügen. Tatsächlich hätte diese klug gesponnene Musik einen größeren und besseren Flügel verdient, als bei der Premiere am Samstag (28.10.) in der ARGEkultur zur Verfügung stand.

Reizvoll ist vor allem, wie sehr die Pianistin in die Performance integriert wird, ohne dass sie je ihren ganz eigenen Kosmos künstlerischer Entrücktheit verlässt. Da mögen die Lemuren zwischen ihren Armen auftauchen, sich über ihren Schoß legen oder sich ihrer Noten bemächtigen: Die Musik und ihre Priesterinnen  waren schon immer erhaben über Zugriff von „oben“ und „unten“. Ein politisches Statement? Wohl eher Zufall. Als mögliches Deutungsdetail aber nicht weniger reizvoll.

An Editta Brauns choreografischen Zugang zu Welt und Mensch und Sinn Und Ziel hat sich offensichtlich seit mehr als dreißig Jahren nicht viel geändert. Das machte das Postludium deutlich: Nach der Performance von Pianistin und insgesamt fünf virtuosen Tänzerinnen als ebenso scheue wie unaufhaltsam zudringliche Lebewesen – man kriegt nur deren Hinteransicht zu sehen – wurde ein 23 Minuten kurzer Film aus dem Jahr 1985 abgespielt: „Lufus“ war eine ORF-Produktion in der Reihe „Kunststücke“. Damals habe alles begonnen, „mit den nackten Hintern“, so Editta Braun bei der Applausrunde in ihrer kurzen Einladung ans Publikum, sich den Film doch auch noch anzusehen.

Das hat aber auch Nachdenken ausgelöst und könnte damit nach hinten losgegangen sein. „Damals“ nahm man die Dinge jedenfalls noch ernster: Von der Leichtigkeit der Performerinnen, die 2017 als kopflose Wesen wie schreckhaft-erschreckende Vertreterinnen aus der Gattung der Arachniden – Spinnentiere - virtuoses Körpertheater bieten, war 1985 noch nicht viel zu spüren. Vor gut dreißig Jahren dominierte das Statuarische. Nicht verdrängen lässt sich seit dem Film allerdings die Frage, ob eine einzige Idee - wenn auch „weiter entwickelt“ - genug sein wird, für ein künftiges künstlerisches Vermächtnis.

Bilder: Stills aus www.editta-braun.com

 

 

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