Graf Almaviva als Harvey Weinstein

LANDESTTHEATER / LE NOZZE DI FIGARO

22/01/18 Graf Almaviva ist ein betuchter Amerikaner, der auf der Dachterrasse seiner schicken Hollywood-Villa Golf spielt. In den Liegestühlen rund um den Swimmingpool im Garten tummeln sich diverse Gespielinnen… Jacopo Spirei setzt „Le nozze di Figaro“ als nettes Boulevard-Stück mit aktuellem Bezug im Hinblick auf sexuelle Übergriffigkeit in Szene.

Von Elisabeth Aumiller

Wenn Susanna, Barberina, Marcellina und alle übrigen weiblichen Angestellten des Haushalts am Ende dem selbstgerechten Grafen geschlossen mit den Lettern „# Me too“ gegenübertreten, bleibt ihm keine andere Wahl als zum „contessa perdono“ vor der Gräfin in die Knie zu gehen: Die Brisanz des „Folle Journée“ von Beaumarchais' Librettovorlage zu Lorenzo Da Pontes theaterwirksamem Figaro-Sujet und die Aufmüpfigkeit abhängiger Untergebener gegenüber der mächtigen Obrigkeit, findet ihren brandaktuellen Bezug in der gegenwärtigen Thematik des sexuellen Machtmissbrauchs.

Zuvor schnurrt das Verwirrspiel mit allerlei Einfällen über die Bühne. Im ersten Akt werden aufgetürmte Umzugskartons zu Wurfobjekten, mit denen die wütende Susanna (Laura Nicorescu) die „Konkurrentin“ Marcellina (Frances Pappas) aus ihrem Zimmer jagt, nachdem sie ihren Bräutigam Figaro (Aubrey Allicock) über des Grafen Absichten aufgeklärt hat. Almaviva möchte am liebsten das alte Herrenrecht der ersten Nacht mit Susanna wieder aufleben lassen. Aber die gesamte Dienerschaft appelliert an Almavivas Großherzigkeit mit großen Postern auf denen das Konterfei des Grafen prangt mit den Aufschriften „I say no to sexual harassment“, „Men of quality do not fear equality“ oder „Womans rights are human rights“.

Im Laufe der weiteren Turbulenzen wechseln gefällige Details und nette Szenen mit abgedroschenen oder spannungslosen Abläufen. Hübsch ist unter anderem der Einblick ins   Kabinett der Gräfin, als Susanna sich rasch anstelle des geflohenen Cherubino versteckt um zum Schutz ihrer Herrin dem Grafen ein Schnippchen zu schlagen.

In Sachen Besetzung gab es zwei herausragende Glanzlichter, die zauberhafte Susanna der Laura Nicorescu, die in jedem Outfit und in jedem Ambiente gute Figur macht, und die noble Gräfin von Anne-Fleur Werner. Nicorescu ließ mit ihrem glockigen Sopran, ihrer sprechenden Mimik und ihrer flotten Beweglichkeit jede Geste und jede einzelne Note absolut stimmig erscheinen, sowohl im sprachlichen Ausdruck als auch in der gesanglichen Linie und musikalischen Phrasierung. In der Gartenszene textete sie die nicht vorhandenen Pinien in Pflanzen um, passend zum Set. In schlichter Innigkeit sang sie die Rosenarie mit kadenzierendem Zierat in der Höhe.

Mit leuchtendem Sopranglanz punktete die Gräfin von Anne-Fleur Werner und überzeugte in der eleganten Darstellung. In die zweite große Arie „Dove sono“ kann sie noch besser hineinwachsen und sicherer werden, vor allem auch atemtechnisch auf einen besseren Bogen ohne abfallende Phrasenenden achten. Aber insgesamt eine schöne ansprechende Darbietung. Als Cherubino konnte Shahar Lavi in ihrem übertrieben schlacksigen Bewegungsvokabular weder überzeugen noch Sympathiepunkte einfahren, aber in der gesanglichen Begabung ließ sie aufhorchen und gefiel mit wohlklingender, gut geführter Stimme. Vor allem, als sie sich bei ihrer Arie im zweiten Akt „Voi che sapete“ auf Mozart besann, gewann sie bemerkenswertes gesangliches Profil. In der Verkleidungsszene legte sie ihre aufgesetzte Pseudoburschikosität ab und ließ ihre Natur als attraktive junge Frau walten, was allerdings der Hosenrolle entgegensteht.

Figaro Aubrey Allicock war vertraut mit seinen Noten, ergänzte manch passende Auszierung und gab die Partie mit sonorem Bassbariton kräftig und darstellerisch beweglich. In der Optik kann er höchstens als Adoptivsohn von Marcellina und Bartolo durchgehen.

George Humphrey legte den Grafen als Provinzcasanova mit dem Charme und Sexappeal eines frustrierten Buchhalters an. Er sang ordentliche Töne, wirkte aber nicht wirklich eins mit der Partie. Köstlich Frances Pappas als Marcellina, eher hölzern der Bartolo von Raimundas Juzuitis, witzig Gürkan Gider als Basilio. Die Barbarina von Tamara Ivanis, Michael Schobers Antonio und Alexander Hüttners Don Curzio komplettierten das Ensemble.

Das Mozarteum Orchester kennt seinen Mozart, spulte aber diesmal die Klangebene etwas routiniert ab ohne dass ausgefeilter Feinschliff explizit ohrenfällig wurde. Im ersten Akt waren sich Orchester und Bühne nicht immer einig. Adrian Kelly nahm die Tempi in der Ouvertüre recht flott und im Finale des zweiten Aktes fast an der Grenze zu guter Singbarkeit, was die Musik aber deswegen nicht spannungsreicher belebte. Im Übrigen war er meist mit Mozart im Reinen.

Le nozze di Figaro – Aufführungen im Landestheater bis 30. Mai – www.salzburger-landestheater.at
Bilder: LT/ Anna-Maria Löffelberger