Blut. Teig und Tränen.

TASCHEN OPERN FESTIVAL / URAUFFÜHRUNGEN

25/09/19 Ein blutroter Vorhang steht für Bett und Erotik wie für Mord und Totschlag. Fünf Lampen beleuchten das Geschehen und dienen als Vorhang-Ersatz, wenn sie – vorne an der Rampe aufgereiht – den Hintergrund ausblenden. Bedient werden Lampen wie Requisiten von Tier-Domestiken, die sich ständigen Metamorphosen unterziehen: Damit ist die Szene wandelbar und doch durchgehend vertraut.

Von Erhard Petzel

Fünf Kurzopern unter dem Motto Salzburg liegt am Meer zum gemeinsamen Thema Shakespeare feierten beim Taschenopernfestival 2019 am Dienstag (24.9.) in der Szene Salzburg Premiere: Peter Rundel als musikalischer Leiter und Thierry Bruehl als Regisseur und Librettist verantworten gemeinsam einen speziellen Abend, der fünf unterschiedliche musikalische Zugänge von fünf arrivierten Komponistinnen und Komponisten in einem spannenden gemeinsamen Projekt vereint.

Die unterschiedlichen musikalischen Ergebnisse finden ihre Einheit durch die Inszenierung aus einer Hand. Das Gesamte wirkt rund und geschlossen, während der durchaus umfangreiche Abend aus der Diversität der Beiträge Spannung und Abwechslung gewinnt.

Den Beginn macht eine Szenencollage aus dem Sommernachtstraum unter dem Titel TitaniaTraum. Gerald Resch, Jahrgang 1975, nimmt als Ouvertüre eingespielte Jazzakkordketten mit Bluesdiva, um Raum und Feeling zu entwickeln. Organisch entsteht daraus die Musik zur Szene, in der Oberon (Andreas Jankowitsch mit tiefem Bariton) und Titania (Annika Boos mit erdigem Sopran) mechanisch und trostlos miteinander tafeln. In neun Szenen mündet Oberons fixe Idee von Titanias Untreue in einen Beziehungsgau, der allerdings allein ihn trifft. Denn die von ihm manipulierte Titania ist mit dem zugeführten Witzmännchen (Bernhard Landauer als Counter-Zettel) so zufrieden, dass sie schließlich mit diesem Tisch und (Bett war vorher, da wälzt sich frustriert der Voyeur) Bindung teilt.

Großartiger Kontrast dazu das Werk verflucht von Sarah Nemtsov auf den Text von Gerhild Steinbuch. Tehila Nini Goldstein singt, spricht und schreit mit verzweifelt verhaltener bis furchtbarer Stimme Lady Annes Flüche gegen Richard III. für sein Vernichtungswerk am König undan ihrem Gatten: Eine 23minütige Rachearie mit heutigen Farben und Ausdrucksmitteln voller Volten und beeindruckendem Perpetuieren.

Georg Kampes Taschenoper Ich will lächeln, lächeln, lächeln führt auch musikalisch in ein einziges Narrenhaus á la Was ihr wollt. Denn nicht nur Malvolio, hier karikierend gedoppelt, wird genarrt. Marie und vor allem die absurd aufgedonnerte Olivia (Bina Blumencron als schneidende Gräfin) haben ebenfalls ihren Sparren. Auf einem Narrenkarren fährt der Hofstaat im Kreis (beim Schlussapplaus wird er allen Beteiligten als Thespiswagen dienen). Aus all der Persiflage verzieht sich hölzerne Verzierungen zersingend Christian Sturm als gedemütigter Malvolio durchs Publikum (wofür er die symbolische Absperrung überwinden muss), mit einem Rest Würde in seinem hilflosen Zorn.

Die Komponistin Sara Glojnaric beteiligte sich bei Pray, chuck, come hither auch am Text. Desdemona (Sachika Ito) bewegt den Mund zum fehlerhaft eingespielten Elisabethanischen Song. Ihre Melodien werden über gehaltene Soprantöne sperrig voranschreiten, während der offenbar gestörte Halbmohr Othello (Eberhard Lorenz) die Silben in Hacksprache absetzt, lächerlich falsettiert, zur Frauenstimme wimmert und sich latent gewalttätig zeigt (er steht ja auch in Personalunion mit Jago). Einerseits Schreipopanz, wird der Mord in der zehnten Szene mit seriöser Bühnenstimme eingespielt. Othello mordet symbolisch mit Trompete über Elektrosound. Erhobenen Messers steht Desdemona. Und aus.

Das progressive Entwicklung der Verfremdung von Stück zu Stück koreliert mit der starken Wirkung der Szenen und der musikalischen Ideen. Der Bogen zum Sommernachtstraum fällt bei Stephan Winklers Tongs & Bones dann schon recht mittelbar aus: Worte sind nicht mehr gefragt, Texte werden eingespielt zu einer Harlekinade um einen Doppel-Zettel, geschundenes Fleisch liegt mit der Comedia im Clinch.

Die Schwierigkeit, absurdes Unisono mit Einspielungen zu meistern, kann das oenm und die Sängerinnen und Sänger nicht erschüttern. Eine Dirigenten-Akademie bringt Nachwuchs in die Szene. Diesmal durften sich Friederike Scheunchen und Armando Merino beweisen. Großer Applaus am Schluss, der auch zwischen den einzelnen Stücken die Künstler herzhafter hätte belohnen dürfen.

Salzburg liegt am Meer – Taschenopernfestival Salzburg – weitere Aufführungen am 26., 27. und 28. September jeweils um 20 Uhr in der Szene Salzburg - www.klang21.com
Zum dpk-Vorbericht Strudelteig als Leichentuch
Bilder: Klang 21 /