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Der Octopus wird unsichtbar

PNEU FESTIVAL

24/01/20 „Bei 180 Beats pro Minute bleibt keine Zeit für Selbstdarstellung.“ Die Niederländische Performerin Lisa Vereertbrugghen gastierte mit ihrer Performance Softcore – A Hardcore Encounter beim fünften Festival Performing New Europe PNEU in der ARGEkkultur. Mit Onírica stellte Marta Navaridas eine dreidimensionale Zeichnung in die Thaddaeus Ropac-Halle im Salzburger outback.

Von Heidemarie Klabacher

Ein überdachter Laufsteg. Die blütenweiße „Raumstruktur“ bekritzelt mit blauem „Edding“. Drei gleichfalls bekritzelte Performer bewegen - strecken, krümmen und überkugeln - sich. Verknoten sich mit- und stürzen in-einander. Den blauen Filzstift in der Hand, kritzeln sie, wann immer Wände, Decke oder Boden in Reichweite kommen, auf selbige. Ein „Edding 500“ hat eine Strichbreite von fünf Milimetern. Bei der Performance Onírica müssen mindestens einige „Edding 1000“ dabeisein. Wenn ein dünnerer Stift nicht mehr schreibt, wird er vom Podest gefegt. Verliert einer der drei Performer sein Mal-Utensil aus der Hand, was selten passiert, tastet Er oder oder eine der beiden Sie danach, als gelte es, nach einem Einbruch ins Eis verzweifelt Halt auf spiegelglatter Oberfläche zu finden.

Onírica heißt das Dreipersonenstück der spanischen Performerin und Choreografin Marta Navaridas, das am Donnerstag (23.1.) beim PNEU-Festival Premiere hatte. In der Halle des Galeristen Thaddaeus Ropac in der Vilnius-Straße 13 und vom kulturellen „Epizentrum“ Salzburgs gefühlt ebenso weit entfernt, wie die Hauptstadt Litauens selber.

Ein Performer und zwei Performerinnen also sollen das Dreidimensionale der Bewegung mit dem Zweidimensionalen des Zeichnes verbinden und den „dreidimensionalen Ausstellungs- oder Performanceraum mit Zeichnungen verändern“. Kinder machen das innerhalb des Performanceraumes ihrer Kinderzimmer auch. Der Kunstbegriff Onírica basiert jedenfalls auf dem griechischen Wort für „Traum“. Die Mal-Aktion hatte durchaus Zug und Dynamik, mal wurde langsamer, mal schneller gekritzelt. Immer wieder auch verkrallten sich die Darstellerinnnen ineinander und bemalten einander Hosenböden oder Wangen. Was die unbeteiligte Beobachterin interessiert und bewegt hat, war die Musik von Eduardo Raon: Harfenklänge (Harfe, kein Lieblinksinstrument zeitgenössischer Komponisten) subtil live-elektronisch verfremdet, zogen über das steril-langatmige Setting ein so feines wie dicht gewobenes Klangnetz von betörendem Farbenreichtum.

Genau das gelang der Musik NICHT bei der zweiten Performace des Abends. Zurück ins gewohnte Terrain der ARGEkultur: Dort gastierte die niederländische Performerin Lisa Vereertbrugghen mit Softcore – A Hardcore Encounter, einer Sprach- und Tanzkunst-Performance über einen Techno-Musikstil der 1990er-Jahre „Gabber“ gennant. Lisa Vereertbrugghen rezitierte, sprechtechnisch ausgezeichnet, in immer schnellerem Tempo und auch über die Grenzen des Verstehbaren hinaus, etwa über den Körper: „This body is not hard.“ Er sei „mouldable, foldable, flexible“, auch „smooth, tender oder gar liquid“. Das Publkum saß auf dem Boden zwischen Lautstprechern. Aus diesen kam Techno. Dazwischen, zwischen Lautsprecherboxen und Gästen also, bewegte sich, auch tanztechnisch ausgezeichnet, in sich pulsierend die Performerin. Eine Lautsprecherbox entpuppte sich als Bühnennebel-Maschine. Diesen, den Bühnennebel, pustete Vereertbrugghen den Zuschauern ins Gesicht. Warum auch nicht.

Als Nicht-Techno-Freak, der auf seine Ohren achthaben will, hatte man vorab ein paar Bedenken wegen der Lautstärke. Diese war nicht so dramatisch wie erwartet. Was sich ebenfalls nicht eingestellt hat, war die erwartete Sogwirkung des Ganzen, ein Crescendo, das in das Auge irgendeines Klangtaifuns hineingezogen und sich dort zu ganz Neuem entfaltet hätte. Es blieb bei aneinandergereihten Musik- und Sprechblöcken. Auch wenn sich der Octopus so an die Wand krallt, until - und das wird vielmals und immer leiser werdend wiederholt - becoming inperceptible“.

PNEU Festival - bis Samstag (25.1.) - Von Onírica gibt es zwei weitere Aufführungen heute Freitag (24.1.) um 17 Uhr und um 20 Uhr in der Thaddaeus Ropac-Halle, Vilnius-Straße 13 - www.szene-salzburg.net
Bilder: PNEU / Bernhard Müller

 

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