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Wo die Milde wohnt, wohnt auch der Hass

LANDESTHEATER / LA CLEMENZA DI TITO

05/05/14 Gelegenheit, sich über die „Milde des Titus“ zu wundern, gab es in den vergangenen Monaten genug. In Salzburg zuletzt an der Universität Mozarteum in einer bewegenden schnörkellosen Produktion der Opernklassen. Nun kämpft – quasi ums Eck im Landestheater – die Menschenfreundlichkeit erneut ihren vergeblichen Kampf gegen Liebe und Hass, gegen Eifersucht und Verzweiflung.

Von Heidemarie Klabacher

Im Gegensatz zum Herrscher weiß der Bettler ganz genau, wer ihn liebt und wer ihn hasst. So singt Kaiser Tito Vespasiano gegen Ende von Mozarts letzter Oper „La Clemenza di Tito“. Er ist dem Mordanschlag durch seinen besten Freund Sesto rein zufällig entgangen. Sesto hat sich von seiner Geliebten Vitellia, die Kaiserin werden möchte, zum Mord aufstacheln lassen. Und nun stellt der gütige und großzügige Titus verwundert und traurig fest, dass so ein Kaiser niemandem trauen kann. Das Mozarteumorchester untermalt die Klage des Titus nicht nur. Die glasklare, kammermusikalisch transparente und dabei so intensivfarbige Wiedergabe verstärkt das Lamento irgendeines beliebigen Papp-Königs auf der Bühne zur brennenden Frage eines jeden Menschen: Wer steht an meiner Seite?

Das Mozarteumorchester unter der Leitung von Leo Hussain hat bei der Premiere am Sonntag (4.5.) die aufbrandenden Emotionen in allen Rollen bis in ihre kleinsten Wurzeln und Verästelungen hinein wie mit dem Haarpinsel nachgezeichnet. Was für vielfältig changierende Klang-Farben da in den orchesterbegleiteten Rezitativen zu hören, zu erleben, waren!

Die Abscheu des widerwilligen Meuchelmörders Sesto in der Verzweiflungsarie vor seiner eigenen Tat lässt das Blut in den Adern gefrieren, so gnadenlos präzise phrasiert und artikuliert verstärkt das Orchester wie mit dem Brennglas den Blick in den seelischen Abgrund. Den Auftritt des schuldigen und geständigen Sesto „untermalen“ die Geigen dann später mit einem bis ins Herz und ans Mark rührenden Klangeffekt, den einfach „Tremolo“ zu nennen, plump wäre. Klangrede? In diesem „Titus“ unter Leo Hussain hat sich das Mozarteumorchester Salzburg einmal mehr als hochmodernes Originalklangsensemble im Orchestergewand präsentiert. An dieser Refernz-Wiedergabe wird sich das Orchester eines jeden künftigen „Titus“ messen lassen müssen.

Und wer hat da im Landestheater Hammerklavier gespielt? So duftig und locker und verspielt, als würde jemand bei offenem Fenster seiner Lebensfreude an einem sonnigen Morgen heiteren mozartischen Ausdruck verleihen und zugleich so präzise und sich zurücknehmend, wie es einem Continuospieler zukommt?

Dem überirdisch schönen Klarinetten-Solo in Sestos Arie „Parto, parto“ und dem bewegenden Bassetthorn-Solo in Vittelias Brautkranz-Klage gehörte - wie übrigens allen Bläsersoli und Bläserensembles dieser Mozartsternstunde - ein eigener Artikel gewidmet. Christoph Zimper und Ferdinand Steiner haben ihre Soloparts nicht aus dem Orchesterverband heraus gespielt. Regisseurin Amélie Niermeyer hat sie vielmehr als Mit-Spieler auf die Bühne geholt. Sesto war von den virtuosen Beiträgen der Klarinette übrigens nicht wenig genervt. Publio, des Kaisers oberster Berater, hat die Musiker wie auch den stummen Kammerdiener gestisch nicht wenig herumkommandiert. Warum auch nicht. Zu Mozarts Zeiten gehörten die Musiker zu den Dienstboten...

Regisseurin Amélie Niermeyer, Professorin für Schauspiel und Regie am Mozarteum, hat schon in der Spielzeit 2011/2012 bei „Wozzek“ mit überwältigendem Erfolg mit Leo Hussain zusammengearbeitet. Mozarts „Titus“ hat sie in eine nicht allzu entfernte Gegenwart verlegt - den Kostümen nach in die Sechzigerjahre des zwanzigsten Jahrhunderts. Das „Kapitol“ könnte das Penthouse im 90. Stockwerk einer Konzernzentrale sein. Die Bühne von Stefanie Seitz und die Kostüme von Kirsten Dephoff gehen Hand in Hand mit der geradlinigen Personenführung.

Die ganzen Konflikte rund um die Themen Loyalität und Vertrauen sind und bleiben aktuell, egal ob die Titelfigur Anzug und Krawatte oder Helm und Harnisch trägt. Dass über die Jahrtausende manches zur Marketing-Masche verkommt, darf nicht verwundern: Wenn dieser Titus die junge Servilia überschwänglich für ihren Mut und für ihre Offenheit preist (sie sagt dem Kaiser gerade heraus ins Gesicht, dass sie ihn nicht heiraten will, weil sie Annio liebt) zerrt und beutelt er das Mädchen herum, wie eine Gliederpuppe. Auch das Schlussfoto mit Brautpaar ist nur für die Werbeleute der Firma von Wert. Sesto kippt ohnehin immer aus dem Bild…

Das Landestheater hat Sängerinnen und Sänger aufgeboten, die als Solisten und gemeinsam als Ensemble überzeugen: Sergey Romanovsky als Tito Vespasian, Anna Maria Niedbala als Vitellia, Laura Nicorescu als Servilia, Frances Pappas als Sesto, Emily Righter als Annio und Graeme Danby Publio bilden ein wunderbares hervorragend aufeinander eingespieltes und eingesungenes Salzburger Mozartensemble. Herauszuheben wären wohl Frances Pappas für ihren darstellerisch und sängerisch überragenden Sesto und Laura Nicorescu für ihre darstellerisch so zurückhaltende und stimmlich so strahlend klare und selbstbewusste Servilia. In Summe sei für diesen „Titus“ allen Sängerinnen und Sängern noch einmal gemeinsam gedankt.

Bilder: LT/Veronika Canaval

La Clemenza di Tito - Aufführungen bis 12. Juni - www.salzburger-landestheater.at

 

 

 

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