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Eine Aufführung von Festspielformat

UNIVERSITÄT MOZARTEUM / DON GIOVANNI

17/06/14 So reich kann „armes Theater“ sein. So zeitlos gültig Mozarts „Don Giovanni“. Noch einmal inszenierte Eike Gramss im Großen Studio der Universität Mozarteum. Man kann nur hoffen, dass dieser stilbildende Regisseur Salzburg auch nach der Emeritierung nicht verloren geht.

Von Gottfried Franz Kasparek

Er ist ein Zauberer, der aus einfachen Mitteln großes Musiktheater macht. Es genügen ihm ein paar Vorhänge und atmosphärische Beleuchtung. Eike Gramss, der nun Abschied vom Mozarteum nimmt, sind unvergessliche Opernabende zu verdanken. „Don Giovanni“ wurde zu einer Aufführung von Festspielformat. Linda Hofmann und Mirjam Stängl gestalteten Bühne und Kostüme. Erstere besteht aus einer dunklen Wand mit einem hohen Tor, letztere kleiden die Personen unprätentiös und ohne Schnickschnack, nicht alt, nicht neu, schlicht und phantasievoll. Der Hauptvorhang wirkt wie eine archaische Mauer, entpuppt sich bei entsprechender Beleuchtung aber als eine Trophäenwand voll weiblicher Unterwäsche, und dies ohne jegliche Peinlichkeit.

Eike Gramss hat ein packendes Nachtstück inszeniert und in die Tiefen der menschlichen Seele geblickt. Mit souveräner Personenführung wird die tragische Verklammerung der Figuren verdeutlicht, ohne komische Elemente auszusparen. Aggression und Faszination des sinnlichen Freibeuters beherrschen die Szene, ehe sich tatsächlich die Pforten der Hölle auftun und den reuelosen Helden schrankenloser Freiheit verschlingen. Die Teufel sind weiblich. Erst im Schlusssextett herrscht die gleißende Helle der Normalität.

Es gibt viele wundersame Details wie die nicht nur musikalisch mitspielende, leicht skurrile Bühnenmusik. Don Giovanni ist endlich wieder einmal kein Kandidat für den Herzinfarkt, sondern ein fescher junger Mann, der über alle Grenzen geht. Leporello ist ein Faun, der zeitweilig das Spiel leitet. Die Damen pendeln zwischen mehr oder weniger unterdrückter sexueller Lust und moralischer Gebärde. Don Ottavio im schwarzen Anzug mit Krawatte steht seriös daneben. Der Komtur ist schlicht ein Naturereignis, Masetto ein einfach gestrickter Junge mit „vis comica“. Schlüssiger, zwingender, bildkräftiger hat man „Don Giovanni“ lange nicht mehr erlebt.

Dirigent Gernot Sahler treibt das Orchester ohne Rücksicht auf Reibungen zu einer emphatischen Höchstleistung. Mozarts unglaublich moderne Partitur wird gleichsam mit erotischem Feuer ausgemalt, nicht ganz perfekt, aber glühend und farbenreich. Die Bühne beherrschen Herr und Diener, zumindest in der Erstbesetzung. Matthias Winckhler, der drahtige junge Giovanni, ist ein fabelhaft schönstimmiger Kavaliersbariton, der nie forciert und noch im Untergang betörendes Belcanto verbreitet. Peter Kellner erfüllt den Leporello mit prachtvoller Basskomik und einem quicklebendigen, in sich stets stimmigen Spiel bis hin zum Radschlagen am Maskenball. Bei beiden changiert die Persönlichkeit zwischen sympathischer Jungenhaftigkeit und dunklen Abgründen. Leporello rettet sich mit Witz.

Athanasia Zöhrer, die damenhafte Donna Anna mit klug fokussiertem, in der Höhe geschärftem Sopran, Katrin Bulke, ein Bild von einer verlassenen Ehefrau namens Donna Elvira mit blondem Sex Appeal und ausdrucksvoller Stimmführung, sowie die liebenswert „bagschierliche“, Don Giovannis Attacken immer gerade doch nicht erliegende Zerlina der Marika Rainer mit hellen Soubrettentönen charakterisieren die Frauen rund um den Freibeuter aufs Beste. Sungwon Park verfügt als Don Ottavio über einen geraden Trompetentenor, der gut zu dieser Rollenzeichnung passt. „Dalla sua pace“ singt er mit Applomb, die zweite Arie findet wie bei der Prager Uraufführung nicht statt. So schön sie ist – sie hält ohnehin nur die Handlung auf. Robert Davidson als Masetto punktet vor allem durch wirkungsvolle Köperkomik, wie überhaupt Bewegungstheater die Szene erfüllt. Allerdings eines, welches in jedem Takt, jeder Phrase mit der Musik mitschwingt.

Alessio Cacciamani als Commendatore lässt einen metallischen Stentorbass hören, der im Finale Gänsehaut erzeugt. Der von Silvia Spinnato perfekt studierte Chor Musicacosi zeichnet sich wie alle Menschen auf der Bühne einschließlich der Musikanten durch die Zeichnung individueller Persönlichkeiten und in jedem Schritt sinnvolle Aktion aus. Ein Sonderlob muss der Technik gelten, welche das grandiose Lichtkonzept wirkungsvoll umsetzt. Hingehen, ansehen!

Die erste Besetzung ist noch am 19. Juni zu erleben. Heute, Dienstag (17.6.) , und am 20. kommt die zweite zum Zug. Am 19. und 20. dirigieren Studierende – www.moz.ac.at
Bilder: Universität Mozarteum / Christian Schneider

 

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