„Womanday“ auch auf der Opernbühne

 

UNIVERSITÄT MOZARTEUM / KAMMEROPERN

21/10/14 Mit Benjamin Brittens „Les Illuminations“ und Francis Poulencs „La voix humaine“ fesselten zwei starke Sängerinnen-Persönlichkeiten dieser Tage im Theater im Kunstquartier.

Von Christiane Keckeis

„Les Illuminations“, die „leuchtenden Bilder“ des Schriftstellerkollegen Artur Rimbaud vertonte Britten als Liederzyklus für Solosopran und Streichorchester. Die surrealistischen Visionen sind intensiv und stark, Malereien in Sprachen und Klängen. Im Mittelpunkt steht die Gestalterin: Mit Karolina Plicková findet sich stimmlich wie szenisch eine Idealbesetzung für das wandlungsreiche Werk. Sie braucht nicht viel um Inhalte zu transportieren: die verletzliche Seele, die stolze Königin, die Kassandra, die traumatisierte Frau zeichnen sich in Mimik und Körperhaltung und nehmen das Publikum mit, stark, intensiv und durch die Situation des Kammertheaters unmittelbar. Mit ausdruckstarkem jugendlich-dramatischem Sopran gestaltet sie Brittens in die Extreme reichendes Werk, aber auch an lyrischer Wärme mangelt es nicht.

Leider bekommt sie nicht viel Unterstützung vonseiten des Orchesters (Leitung: Hans-Josef Knaust): In der eher trockenen Akustik fällt leider jedes Nicht-Zusammenspiel auf, auch die Intonationsunterschiede innerhalb der Gruppen sind hörbar und störend. Das diffizile Werk hätte deutlich mehr Auseinandersetzung gebraucht.

Hier zu wenig, da zu viel: Die szenische Deutung von Karsten Bohn ist engagiert, aber angesichts der zentralen Ausdruckskraft von Plicková eher unnötig. Im ästhetischen Raum versucht Bohn eine Geschichte zu installieren und benutzt dafür alle Theatertricks von Theaternebel bis Effektlicht – ein wenig ratlos verdoppelt er die bildreichen Texte und nimmt mit teils banalen Illustrationen mehr an Tiefe, als er gewinnt. Als Gegenpart für das weibliche wird eine männliche Figur eingeführt, die aber bei aller Ästhetik nicht über die Rolle des (überflüssigen) Statisten hinauswächst. Da wäre weniger mehr als genug gewesen.

Raffiniert erzählt Jean Cocteau in seinem Werk „La voix humaine“ (Die menschliche Stimme) die endende Geschichte einer Liebe: eine junge Frau in ihrer Wohnung, verzweifelt, der langjährige Geliebte hat sie verlassen und heiratet eine andere. Es bleibt nur mehr das letzte Telefonat, das Inhalt der Szene wird. Poulenc hat daraus ein musikalisches Psychogramm gestaltet, eine Tragédie lyrique, ein Monodrama für Sopran. Die besondere Herausforderung des Werkes liegt in dem beständigen Wechsel zwischen Sprechen, Sprechgesang und stimmlichen Ausbrüchen, Poulenc schafft dadurch alle Möglichkeiten einer diffizilen Charakterstudie. Und Aleksandra Zamojska nutzt sie konsequent. Zwischen Kleinmädchenstimme, Untertänigkeit, schnell wieder niedergeschlagener Empörung, Verzweiflung, Nicht-Verstehen, Realitätsverweigerung, vorgespielter Gelassenheit zeichnet sie minutiös die Stimmungslagen der verlassenen Geliebten. In ihrer Stimme zeichnen sich die Emotionen wie auf ihrem Gesicht, intensiv, berührend ist das Kippen von einem Gefühl ins andere, das manchmal einer Achterbahnfahrt gleicht. Das hat Gänsehautqualität.

Aleksandra Zamojska singt die deutsche Fassung, weitgehend sehr gut verständlich, wenn das Orchester sie nicht zudeckt. Hans-Josef Knaust gibt der Versuchung nach, in Poulencs Orchesterklängen zu schwelgen, nicht immer sensibel achtend auf das, was gerade auf der Bühne an leisen Emotionen gefragt ist. Auch hier vermisst man die musikalische Feinarbeit, die mit dem gut aufgestellten Klangkörper durchaus denkbar gewesen wäre. Die Inszenierung von Karsten Bohn hält sich eng an die Vorlage, es gibt keinen Versuch zu modernisieren, was aber angesichts der zeitlosen Intensität, die durch Aleksandra Zamojskas Gestaltung zum Ausdruck kommt, stimmig scheint. Angesichts des Leidens und der Selbstaufgabe der verlassenen Frau tritt der Rest der Bühne aus dem Fokus.