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Oh weh, oh weh - wen schert denn das

UNIVERSITÄT MOZARTEUM / DIE FLEDERMAUS

03/12/15 Rosalinde ist vom eigenen Gatten – inkognito – vergewaltigt und vom Liebhaber verlassen worden. Adele hätte den Prinzen Orlofsky wohl kaum so heftig umgarnt, hätte sie vorher von dessen schillernder Geschlechtsidentität gewusst. Der Frosch fragt gleich, ob er den Schenk holen soll…

Von Heidemarie Klabacher

Eine kritische, dennoch mehr der Musik, als der Gesellschaftskritik verpflichtete „Fledermaus“ ist die erste Operette an der Universität Mozarteum.

Das Wohnzimmer atmet den Charme der Siebzigerjahre. Rosalinde stupst traurig ein leeres Schaukelpferd… Der tiefe Eindruck dieses Blicks in Einsamkeit und sinnleeres Daseins wird alsbald verwischt. Denn schon folgt Ex-Lover Alfred dem voran geschleuderten Rosenstrauß durchs Fenster und hat es gar nicht schwer, Rosalinde erneut zu entflammen. Kurzer Klamauk zwischen Sofa und Nierentisch. Dann zieht der rechtmäßige Gatte ab - offiziell ins Gefängnis, inoffiziell auf das Fest des Prinzen Orlofsky, alles andere im Sinn habend, als die Tränen der „trauernden“ Gemahlin.

Schon der „Generalanzeiger für die gebildeten Stände“ fragte nach der Uraufführung 1874 pikiert, ob man „Personen unserer hochachtbaren Wiener Bürgergesellschaft diffamieren“ oder gar „den alten Glanz der lieben Wienerstadt diskriminieren“ wolle.

Harmlos ist der Verwechslungs- und Racheschwank von Johann Strauß auf ein - von Karl Haffner und Richard Genée - mit vielen Mühen zusammengestoppeltes Libretto ja tatsächlich nicht. In Salzburg wissen wir das spätestens seit Hans Neuenfels’ skandalös uninspirierter „Fledermaus“ anno 2001 bei den Festspielen. 2012 hob im Landestheater im Privatjet nach Dubai eine Art Schieber-Gesellschaft ab. Die Flugintervalle der Fledermaus werden scheint’s kürzer: Am Mittwoch (2.12.) hatte „Die Fledermaus“ Premiere als erste abendfüllende Operette im Rahmen einer szenischen Produktion an der Universität Mozarteum. Zu erleben ist eine szenisch packende, musikalisch und sängerisch rundum überzeugende Aufführung!

Schwungvolles Tempo und scharfer Witz werden an einzelnen - zentralen - Szenen gebrochen durch den Blick in die Abgründe der „hochachtbaren Bürgergesellschaft“. „Brüderlein und Schwesterlein“? Selten hat die wohl klischeehafteste und schunkelndste Nummer eine drastischere szenische Umsetzung erfahren, als in dieser Produktion.

Es ist eine Veranstaltung des Departments für Musiktheater, in Kooperation mit den Departements für Gesang, Bühnebild- und Kostümgestaltung, Film- und Ausstellungsarchitektur sowie Schauspiel und Regie. Zwei Besetzungen singen und spielen insgesamt vier Aufführungen im Großen Studio des Mozarteums.

Karoline Gruber, seit 2014 Professorin für „Musikdramatische Darstellung“ am Mozarteum, zeichnet für die szenische Leitung. Kai Röhrig, seit 2014 Professor und musikalischer Leiter der Opernklasse, dirigiert das „Salonorchester der Universität Mozarteum“. Gespielt wird ein Arrangement für kleines Orchester von Franz Wittenbrink, das die Schärfe des Librettos pointiert auch in der Musik greifbar macht. Es ist ein Arrangement und keine „Verfremdung“ des Originals mit den Mitteln zeitgenössischer Musik. Dennoch bewirkt die Fassung für vier Streicher, Flöte, Klarinette, Schlagzeug, Harmonium und Klavier einen frappierenden – und erfrischenden – Verfremdungseffekt. Tiefe Verbeugung vor dem „Salonorchester der Universität Mozarteum“. Mit Verve und Pfiff haben sie den Sängerinnen und Sängern eine ebenso tragfähige wie federnde Grundlage gelegt. Eine ebenso tiefe Verbeugung daher vor den Sängerinnen und Sängern, die sich auf dem nicht alltäglichen und fußangel-reichen Operettengelände hervorragend bewegen und in allen Partien souverän singen – und ebenso souverän sprechen.

Der dritte Aufzug, der Gefängnisakt, ist üblicherweise die Spielwiese der Volksschauspieler von Schenk bis Moser bis – wir sind ja in Salzburg – Werner Friedl, einem der charmantesten Frösche überhaupt. Ein Frosch sieht gern doppelt. Dem trägt diese Produktion Rechnung, in dem sie den Frosch gleich doppelt auftreten lässt. Der kleine ein wenig proletenhafte Gefängniswärter wird hier zur moralischen Instanz. Sein Auftritt bricht den Erzählstrang und bewirkt damit zusätzliche Verfremdung – indem er aus dem letzten Akt heraus das noch währende Fest bei Orlofsky stürmt und als einziger der vergewaltigten Rosalinde beisteht. Die beiden Frösche, Schauspielstudenten im zweiten Semester, wirken, als wären sie aus „Warten auf Godot“ oder sonst einem Meisterstück absurden Theaters hereingeweht. Auf Klamauk muss man keineswegs verzichten. Aber er ist gebrochen, wie auch alle die Leute, die da ein wenig verloren in den Resten des Festes herumstehen, wie in den Bruchstücken ihrer Existenz…

Die Fledermaus – weitere Aufführungen Donnerstag (3.12.) und Freitag (4.12.) jeweils um 19 Uhr, sowie Samstag (5.12.) um 17 Uhr im Großen Studio der Universität Mozarteum - www.uni-mozarteum.at
Bilder: Christian Schneider

 

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