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Das Böse soll böse bleiben

LANDESTHEATER / DIE WEISSE ROSE

20/11/17 Die Studentengeneration während des Zweiten Weltkriegs zitiert vor allem Schiller, auch Goethe und Fichte. Lillian Groags Stück „Die weiße Rose“ über die letzten Tage dieser gegen das NS-Regime engagierten Truppe, uraufgeführt 1991, wird selbst von der Idee des Theaters als moralischer Anstalt geleitet. Zwar erzeugt es Lacher im Publikum, wenn die Bösen zur Karikatur getrieben sind, die Frage stellt sich hingegen doch, ob da an richtiger Stelle gelacht wird.

Von Erhard Petzel

Die holzschnittartige Zeichnung des nationalsozialistischen Elements wird durch Volkmar Kamms Bühnenbild fokussiert. Nachdem bayrische Wappen-Tapisserie herabgerissen ist, klotzt ein riesiges, rotes Hakenkreuz auf der Bühne mit seinem deckungsgleichen Pendant, das den Boden durch seinen Körper strukturiert. Mit dieser Konstruktion lässt sich augenscheinlich Hierarchie inszenieren und der Bedarf an Raum und Möblierung ausreichend abdecken. Wenn beim Fallen des Beils die rote Fassade auf das Bodenteil kracht, leuchtet der Kern der Swastika matt als weißes Kreuz.

Sosehr diese Anlage für sich spricht, erweist sie sich auch als Bürde für das Spiel. Marcus Bluhm als Robert Mohr und Britta Bayer als Antonia Mahler befinden sich in dieser Umgebung in einer etwas sperrigen Situation, in der sie sich hauptsächlich als outrierende Schergen-Technokraten zurechtzufinden suchen. Die weiche Seite des Mohr, der brav seine Schuldigkeit tut, gelingt am besten während des Verhörs, in dem er Sophie an ihre Eltern erinnert, auf dass deren Bild das Mädchen zum Einlenken und es zur der Rettung seines Lebens bringe.

Zwar erzeugt es Lacher im Publikum, wenn die Bösen zur Karikatur getrieben sind, die Frage stellt sich hingegen doch, ob da an richtiger Stelle gelacht wird. Freilich ist es schön, sich so ganz mit den Guten identifizieren zu dürfen, Erkenntnisgewinn oder dramaturgische Spannung stehen dann aber nicht im Vordergrund. Das Böse ist nur dann zwingend, wenn es in seiner Art beklemmend zur Darstellung kommt und seine Gefährlichkeit erlebbar wird. Zeigt der Befehlsempfänger Bauer (Georg Schleuning) Empathie mit den Geschwistern, findet er wenig strukturelle Unterstützung, dieses Gefühl zu entwickeln.

Die Stärken des Stücks und dieser Aufführung liegen in den Studentenszenen, die Vorgeschichte der Aktivistentruppe in die Verhandlungsebene verschneidend. Wie David Zieglmaier eine Hundenummer des Studenten Wilhelm Graf als rassisch minderwertige Promenadenmischung zum Besten gibt, ist ein herrlicher Ulk. Die ausgelassene Stimmung dieser bezüglich ihrer persönlichen Sicherheit so leichtfertigen Jugend reißt mit. Mit Hanno Waldner als Hans Scholl, Gregor Schulz als Alexander Schmorell und Tim Oberließen als Christoph Probst agiert ein Quartett studentischer als herkömmliche Studenten dies vermöchten.

Als fünftes Rad am Wagen fällt Janina Raspe mit Sophie Scholl die diffizilste Rolle zu, an der die Bandbreite menschlicher Konflikthaltung aufgehängt ist. Im Gegensatz zu ihrem Gegenspieler Mohr (Assoziation Schiller auf der ganzen Linie), der sich als Überlebens-Opportunist zwischen den Polen staatstragender Amts- und durch Analyse der Lage skeptischer Privatperson ständig verrenkt, bleibt sie als ideale Figur in ihrer Spur, standhaft bis stur. Damit übermalt diese Rolle auch die tragische Position Christoph Probsts als Familienvater.

Das Erinnern an diese jungen Leute, die mittels Wandparolen und Flugblätter ihr politisches Gewissen mit dem Leben bezahlten, ist zu keiner Zeit verblasst. In der jetzigen Umbruchsituation, in der weltweit alle Gesellschaften gefordert sind und unsere Demokratien sich als verletzliche Biotope erweisen, gewinnt es neue Bedeutung, auch wenn heute Groags Erzählung vielleicht etwas plakativ wirkt. Möge Beethovens Ode an die Freude nicht Zwischenaktsmusik bleiben, sondern den humanistischen Geist der Aufklärung über das heftig akklamierende Publikum in die Gesellschaften tragen

Die weiße Rose – Aufführungen im Landestheater bis 2. März 2018 - www.salzburger-landestheater.at
Bilder: LT/ Anna-Maria Löffelberger

  

 

 

 

 

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