Stefan erkannte sein Salzburg nicht wieder

LANDESTHEATER / STEFAN ZWEIG SPAZIERGANG

04/06/10 „Die Festspiele beginnen, also gilt es, zu flüchten.“ Heute würde Stefan Zweig Salzburg wohl ganzjährig fliehen. Bei der Vorpremiere zum „Stefan Zweig Spaziergang“ etwa war die Stadt in Hochform. Alle Bagger und Kompressoren des Stadtbauamtes waren als Begleit-Orchester aufgeboten. Trotzdem war der poetisch-literarische Zugewinn beträchtlich.

Von Heidemarie Klabacher

altHerausgekommen ist etwa, dass Stefan Zweig ein ziemlicher Macho gewesen sein muss: „Ich sollte Hüterin seiner Welt sein“, sagt Friderike Zweig. Die Folge war, „dass ich selber keine eigene Welt mehr hatte“ und so saß sie zu hause „und sah, dass man seine Socken stopfte“. Dabei hatte Friderike von Winternitz als Schriftstellerin und Mutter zweier Töchter aus erster Ehe genug „eigenes Leben“ zu bewältigen und zu gestalten. Wenn jedenfalls eine Socken-Stopfung - oder sonst irgend eine Kleinigkeit - nicht nach den Vorstellungen Zweigs ausgefallen war, soll er sich in bühnentaugliche Tobsuchts- und Wutanfälle hineingesteigert haben,

altDie Germanistik ist manchmal eine etwas indiskrete Wissenschaft - und wir wollen dem Großen Europäer, dem im deutschsprachigen Raum lange unterschätzen Dichter mit dem tragischen Ende im Exil auch nicht am Zeug flicken. Wenn nicht einmal Frau Friderike die ganzen „Mädels“ so ernst genommen hat…

Wer hätte das gedacht - dass es in Salzburg einmal ein Haus geben wird, das seinen Namen tragen und sein Leben und Werk erforschen wird? Der Stefan Zweig Spaziergang beginnt auf dem Mönchberg: im Garten der Edmundsburg, wo vor zwei Jahren das Stefan Zweig Centre repräsentative Heimat gefunden hat - mit Blick altauf die Wohnstatt der Zweigs auf dem Kapuzinerberg gegenüber. Ulrike Walter und Sascha Oskar Weis lesen und rezitieren in der Regie von Astrid Großgasteiger aus Briefen, Tagebüchern und Essays.

Ulrike Walter und Sascha Oskar Weis führen als Friderike und Stefan Zweig dann hinunter in die Stadt, durch die Franziskanergasse, über den Residenzplatz, über die Staatsbrücke und über die Imberstiege hinauf auf den Kapuzinerberg: vor das Gartentor des Schlösschens, das Zweig so geliebt und dann doch innerhalb kürzester Zeit verlassen altund verkauft hat. Stefan Zweig lebte hier von 1919 bis Mitte der dreißiger Jahre. Künstler aus aller Welt, wie James Joyce, Romain Rolland, Thomas Mann, Hugo von Hofmannsthal, Georg Brandes, Richard Strauss oder Alban Berg waren hier zu Gast.

Die Geschichte mit der Hausdurchsuchung vom 18. Februar 1934 ist in Salzburg inzwischen doch einigermaßen bekannt: "Das Haus Kapizinerberg 5 wurde demütigenderweise nach Waffen des Republikanischen Schutzbundes der Sozialdemokratischen Partei Österreichs gesucht (die im selben Monat vom inzwischen christlichen-sozial bestimmten Staat verboten wurde) - und zwar von vier Politzisten, und zwar 'pro forma", wie man das euphemistisch genannt hat", schildert Karl Müller, die skandalöse Aktion.

Karl Müller, Fachbereichsleiter Germanistik und Vorstandsmitglied des Stefan ZweigCentre, gehört auch zu jenen, die unermüdlich dafür eintreten, dass man die Schande der altSalzburger Bücherverbrennung auf dem Residenzplatz nicht weiter verdrängt: Dafür sorgen unermüdliche Initiativen. Über die Bücherverbrennung in Berlin schreibt Stefan Zweig: Gegenüber der Universität, wo er vor Tausenden über seine Bücher gesprochen habe, wurden eben diese Bücher nun verbrannt. Dann erreichte das Feuer Salzburg…

Der Zweigspaziergang, der in Kooperation des Landestheaters mit dem Stefan Zweig Centre veranstaltet wird, ist aber keine Anklage: Liebeserklärungen an die Stadt Salzburg, voller Poesie und akribisch anschaulichen Detailschilderungen begleiten ein großes Stück des Wegs. Schach gespielt - und aus der „Schachnovelle“ zitiert - wird unter der goldverzierten Wetterstation neben dem Tomaselli-Kiosk.

Stefan Zweig Spaziergang
Beginn vor der Edmundsburg auf dem Mönchsberg, Ende auf dem Kapuzinerberg. Premiere: 6. Juni, 16 Uhr; weitere Termine: 12. Juni, 16 Uhr; 24. September, 17 Uhr; 25. September, 18 Uhr; 3. Oktober, 17Uhr; 9. Oktober, 17Uhr und 16. Oktober, 17 Uhr; Dauer etwa 1 ½  Stunden. www.salzburger-landestheater.at
Bilder: dpk-klaba