Fifty Shades Of Pink

SCHAUSPIELHAUS / DIE WAHRHEIT

18/09/18 „Zweifle an der Sonne Klarheit, zweifle an der Sterne Licht, zweifle, ob lügen kann die Wahrheit, nur an meiner Liebe nicht“, rezitieren die Figuren in Florian Zellers Komödie Die Wahrheit - und lügen in Wahrheit eben doch. Ein zeitloses Beziehungs-Spiel um Lug und Trug in barockem Outfit.

Von Franz Jäger

Mit Florian Zellers Die Wahrheit (im Original La Vérité) wählt das Schauspielhaus Salzburg zur Saisoneröffnung ein klassisches französisches Unterhaltungsstück. Ein solches erwartet von seiner Umsetzung, das völlig Vorhersehbare völlig unvorhersehbar wirken zu lassen. Ein Anspruch, dem diese Inszenierung gerecht wird.

Regisseurin Anne Simon beweist ihr Verständnis für die Kunst der Komödie, weiß simple Handlungselemente komplex zu verweben: Michel (gespielt von Olaf Salzer) betrügt seine Frau Laurence (Susanne Wende) mit Alice (Christiane Warnecke), der Gattin seines besten Freundes Paul (Bülent Özdil). „Du belügst ihn nicht, du sagst ihm nur nicht die Wahrheit“, rechtfertigt Michel das fragliche Verhalten von Alice – und gleichzeitig wohl auch sein eigenes.

Jene Wahrheit wird dabei sinnbildlich von den grotesken barocken Kostümen, Masken und Perücken (Ausstattung Agnes Hamvas) verschleiert. Das ausschließlich in Pink-Schattierungen gefärbte Bühnenbild beschönigt zusätzlich das sündige Geschehen wie eine durch die Tortenspritze gedrückte Wes Anderson-Phantasie. Auf Marmorsockeln thronen repräsentativ Katzenfiguren, Schrödingers Katzen, in ‚Superposition‘ zwischen Wahrheit und Lüge. Im gleichen Zwielicht spinnen die Figuren einander immer dichter ins Netz ihrer Ausflüchte ein: Kaum eine Frage wird nicht in unendlichen Schleifen mit einer Gegenfrage erwidert, die Relevanz der Wahrheit wird relativ: „Ich verspreche dir, dass ich dich ab heute besser belügen werde“, gelobt im zweiten Teil der reumütige Michel seiner Frau.

Mit subversiver Subtilität drängt das Quartett dabei das Publikum immer weiter in die Rolle einer moralischen Jury, die es scheinbar zu überzeugen gilt. Den endgültigen Richtspruch müssen die Delinquenten jedoch selbst am eigenen Leib fühlen: Die Wahrheit lässt sich nicht biegen, die Lüge nicht glätten, alle aufdressierte Utopie prallt an erbarmungslosen Tatsachen ab. Mit ihrem Intrigenspiel versucht Florian Zellers Wahrheit aber nicht etwa, breite Gesellschaftskritik anzubringen, sondern eben das zu tun, was der Komödie in Anne Simons Interpretation zweifellos gelingt: Technisch und erzählerisch robuste Unterhaltung zu spenden. Davon lenken einzig die sporadisch eingestreuten Gesangseinlagen ab, die weder handlungsfördernd wirken, noch von den Schauspielern ausgesprochen virtuos vorgetragen werden. Vereinzelte Verfremdungseffekte wie das Ablesen des Sprechtextes von Handzetteln oder inszenierte Spielfehler bereichern die Darstellung leider ebenfalls um keine Facette, aber stechen im sonst kunstvoll gesponnenen Doppelspiel aberwitzig heraus. Dennoch schafft es das Stück, ohne in Moralpredigten auszuufern, angesichts allen Herzschmerzes den Humor nicht austrocknen zu lassen.

Die Wahrheit – Aufführungen im Schauspielhaus bis 3. November - www.schauspielhaus-salzburg.at
Bilder: Schauspielhaus / Jan Friese