Drei Karl Valentins zuviel

KAMMERSPIELE / EINE NACHT IM THEATER

30/09/19 Eine Nacht im Theater, wörtlich und überhaupt: Zwei Schauspielerinnen und zwei Schauspieler, ein jeder, eine jede im Outfit von Karl Valentin, finden sich nach der Vorstellung eingesperrt im Theater. In den Kammerspielen des Salzburger Landestheaters denkt man wirklich an eine lange Nacht: Die zweieinviertel Stunden wollen nicht vergehen...

Von Reinhard Kriechbaum

Ein Fall von Spaß-Klaustrophobie also auf den Brettern, die zumindest zwei Halbwelten bedeuten. Eine Welt-Hälfte ist jene der – unverwüstlich robusten – Texte des Karl Valentin (1882-1942). Alfred Kerr hat den Sprach-Dadaisten einen Wortzerklauberer genannt. Manchmal hat Valentin auch etwas hinein geklaubt in die Wörter, siehe Semmelnknödeln, die in einem Sketch am Rande vorkommen. Aber da geht es nicht um um die Sprachgenauigkeit, sondern sondern darum, dass das Gebäck am Frühstückstisch recht malträtiert und von Bakterien-umstäubt ist. Eh witzig.

Die zweite, deutlich mangelhaftere Halbwelt: Ein Regisseur will unbedingt vorführen, wie zeitlos und ergo aktuell viele dieser Sketches und Monologe sind. Als ob daran irgendjemand zweifelte! Der Liebesbrief könnte auch in WhatsApp getippt werden, und schlechter als dem legendären Buchbinder Wanninger kann es einem in einem unfreiwilligen virtuellen Ausflug ins Callcenter auch nicht ergehen. Dass die Hölle übervölkert ist, verwundert heutzutage ebensowenig wie es das in der Zwischenkriegszeit tat. Der Hasenbraten dürfte freilich nicht verkohlen, wenn die Haushaltsgeräte mit dem Handy kommunizieren.

Alessandro Visentin also hat einen Karl Valentin gewidmeten Abend gemacht, mit Originaltexten und eigenen „zusätzlichen Texten“, wie es im Programmheft heißt. Warum gleich vier Valentins (also mindesterns drei Karl Valentins zuviel) in einer Theaterrumpelkammer mit vielen Kisten und einem alten Grammophon stranden, erschließt sich nicht. Jedenfalls beginnen sie aus Langeweile und Mangel an Freiheitsperspektiven nolens volens zu proben, zu repetieren. Es sind genug Leute da, so dass im Valentinesken Selb-Viert auch Requisiteur, Beleuchter oder Souffleur besetzt werden können. Britta Bayer, Nikola Rudle, Jakob Egger und Walter Sachers legen sich ins Zeug.

Alessandro Visentin hat scheint's sorgsam drauf geachtet, sich nur ja nicht den Vorwurf des zu G'spassigen einzuhandeln. So klingt alles ein wenig geschärfter, zugespitzter als notwendig, und tatsächlich gibt es wenig zu lachen. Drei Jahre vor seinem Tod hat Karl Valentin noch erfahren müssen, was eine Atombombe anzurichten vermag. Vater und Sohn über den Krieg, Die Fremden und eben Die Atombombe – das gibt allemal einen Textmix, der einem alles Lachen austreibt: „Mit so einer könnt' man aufräumen auf der Welt … und dann hätten wir wieder unsere Ruhe.“ Für solche Lösungen ist der Valentin-Kosmos allemal gut, gab der Münchner Meister doch dem Herrgott den Tipp: "Wenn Du die Menschheit nicht ersäufst, so lass sie halt erfrieren."

Aufführungen bis 4. Jänner 2020 – www.salzburger-landestheater.at
Bilder: Salzburger Landestheater / Tobias Witzgall