Elefant, fettes Schwein und und Konsum-Mensch

THEATER ECCE / JAHRESPROGRAMM 2020

27/02/20 „Selbstkritisch und ohne Sicherung lassen wir uns auf diesen Seiltanz ein“, sagt Reinhold Tritscher, der Leiter des Theater ecce, zur ersten Produktion dieses Jahres. Am 24. März hat in der ARGEkultur Der Elefantenmensch von Bernard Pomerance Premiere.

Der Elefantenmensch war ein bemitleidenswertes Geschöpf, der im England der 1880er Jahre in Jahrmarktsbuden zur Schau gestellt wurde. Ein Arzt wurde auf den unheilbar Kranken aufmerksam, nahm ihn in sein Spital auf – dort war die Neugier etwas anders geartet, aber wirklich besser getroffen hat es der Mann mit Namen John Merrick auch auf der medizinischen Bühne nicht...

Der Elefantenmensch sei „die Geschichte eines Außenseiters, durch dessen Augen wir in einen Spiegel schauen, in dem wir letztlich uns selbst erkennen“, sagt Regisseur Reinhold Tritscher, der mit dieser Produktion, wie er erklärt, auch sein bisheriges Tun reflektiert: „Seit mehr als zwanzig Jahren balancieren wir beim Versuch Menschen mit unterschiedlichsten Beeinträchtigungen in professionelle Theaterarbeit einzubinden auf dem schmalen Grat zwischen Inklusion und dem Zur-Schau-Stellen der Beteiligten zur Befriedigung von purem Voyeurismus der ZuschauerInnen“. Kaum ein anderer Theaterstoff thematisiert diese Gratwanderung so deutlich wie dieser. „Anders sein“ ist das diesjährige Jahres-Motto. Es gehe um soziale Anpassung und Konformitätszwang, aber auch um „Anders sein müssen als alle anderen um jeden Preis“ – was dann auch wieder auf einen neuen Zwang hinaus laufe.

Anders ist zum Beispiel Helen in Fettes Schwein von Neil LaBute, das man beim VOLXOMMER, dem Theaterfestival in Saalfelden und Leogang im August zeigt. Helen selbst wäre mit sich und ihrer Rundlichkeit längst im Reinen. Ihr Partner aber lässt sich von den Vorurteilen des Umfelds immer mehr verunsichern.

Wer heutzutage dazu gehört, für den ist ein Einkaufszentrum ein Pflicht-Aufenthaltsort, nach der Devise „Ich shoppe, also bin ich“. Im Einkaufstempel ist Arbeitstitel für ein gerade entstehendes Stück, das am 22. Juni passenderweise im Europark-OVAL aus der Taufe gehoben wird. Dort, im Einkaufstempel, werden Angehörige unterschiedlichster Gesellschaftsschichten aufeinander treffen. „Konsumenten auf ihrer Suche nach dem Schnäppchen und dem Glück, oder nach dem verlorenen Kind. Last-Minute-Shopper trifft auf Träumer, Drängler, Vorkoster, Unentschlossene, Flanierer“ – so umreißt Reinhold Tritscher dieses Menschen-Panoptikum und fragt: „Werden sie die ersehnte Anerkennung in der Schlange an der Kassa finden, oder reißt das plastikfreie Sackerl mit dem bisschen Glück in Tüten?“ Und: „Sind soziale Bindungen in einer Supermarktgesellschaft überhaupt noch möglich?“

Für Im Einkaufstempel kooperiert das Theater ecce mit der Szene, der Laube VOLXtheaterwerkstatt Salzburg, der ARGEkultur und dem OVAL. Tritschers Hypothese: „Die Poesie des Alltags ist auch im Einkaufswagen zu finden.“

Natürlich ist auch heuer wieder in Saalfelden eine VOLXtheaterwerkstatt aktiv. Man spürt den Befindlichkeiten von Bewohnerinnen und Bewohnern einer kleinen Dorfsiedlung am Beispiel der Diskussionen rund um eine Altstoffsammelinsel nach. Das Stück Ich, Biomüll – Leben am Rande der Altstoffsammelinsel hat am 8. August im NEXUS Premiere - als ein Programmpunkt beim VOLXOMMER Festival Saalfelden Leogang von 30. Juli bis 15. August. Dort wird neben Der Elefantenmensch auch die Vorjahresproduktion Ikarus im Circuszelt Leogang wiederaufgenommen.

Zum Portfolio des Theater ecce gehören seit je her Schulprojekte und Theaterwerkstätten. Damit ist man umtriebig in Stadt und Land. WÜDWUX – Inklusive Kunst im Saalachtal ist ein neues Stichwort. Dazu erklärt Reinhold Tritscher: „Das Theater ecce arbeitet seit vielen Jahren in der Region und produziert regelmäßig zeitgenössische, inklusive Theaterstücke in der Stadt Salzburg und im Saalachtal. Mit den Theaterwerkstätten für Kinder und Erwachsene in Saalfelden entstanden auch neue Stücke in der Region, die allerdings (noch) nicht inklusiv sind. Ähnlich sieht es mit der Kinderkulturwoche aus.“ Inklusion bedeute einen Mehraufwand, der aufgrund fehlender Ressourcen bisher nicht möglich war. „Es braucht dazu eine Person vor Ort, die diesen Zugang für alle Menschen organisiert. Besonders auf Menschen mit Beeinträchtigung soll aktiv zugegangen werden. Um die gesamte Region anzusprechen, soll es in Kooperation mit Kulturvereinen und Institutionen (Kunsthaus Nexus, Kulturverein Binoggl in Lofer, Culturkreis Maishofen) Workshops in Saalfelden, Lofer und Maishofen geben. Um die Erreichbarkeit mit öffentlichen Verkehrsmitteln zu erleichtern, wird die Kinder-Kulturwoche ab 2020 in Saalfelden stattfinden.

Zum sozialen Engagement Reinhold Tritschers gehört, dass er mit dem theater ecce seit je her die Aktion Hunger auf Kunst und Kultur in Salzburg ehrenamtlich mitbetreut. Irgendwann werden denn doch die Ressourcen knapp: „Ob sich eine Familienproduktion in kleinerer Besetzung finanziell noch ausgeht, können wir erst zu einem späteren Zeitpunkt entscheiden“, sagt der Theatermann. Er hofft diesbezüglich auf eine Zusammenarbeit mit dem OVAL, dem Kunsthaus Nexus und dem Emailwerk Seekirchen.

www.theater-ecce.com
Bilder: dpk-krie (1); Theater ecce (1)