Im Theaterhimmel – aber leibhaftig!

LANDESTHEATER / BAUSTELLEN-REPORTAGE

17/08/22 Blattgold-Flitter. Trompeten-„Engel“ mit Absperrband an Knöchl und Instrument. Restauratreurinnen mit Engelsgeduld beim un-ergonomischen Über-Kopf-Ziehen feinster Pinselstriche, die von unten als goldener Schimmer wahrgenommen werden... Das Landestheater lud zur Presse-Besichtigung auf das Gerüst.

Von Heidemarie Klabacher

Das Theater ist derzeit vollgestellt und ausgefüllt mit einem einzigen riesigen Stahlgerüst bis hinauf zu Gewölbe und Deckenfresko. Der zentrale Luster wurde in Sicherheit gebracht, statt seiner gleißt im Zentrum ein Bausstellen-Schweinwerfer. Trotzdem ist die Atmosphäre im Wortsinn „überirdisch“.

Die Putti mit ihren Trompeten und Noten-Blättern sind auf ihrer Flughöhe sonst eher nicht gefährdet. Zur Zeit teilen sie aber den Luftraum mit 22 Restauratorinnen und Restauratoren. Daher die lustigen rotweißen Warn-Schleifen an vorstehenden Stuckelementen, damit niemand sich den Kopf an einem spitzen Bein stoße. Die Schleife an der Trompete sollte eigentlich bleiben, so elegant ist sie gewunden. Außer dem Denkmalschotz würde später beim Blick nach oben niemand auf die Idee kommen, dass es keine historische Stuck-Kordel ist.

Am Werk ist die bayrische Joh. Kallinger Kirchenrestaurierung GmbH. Die Arbeit ist umfassend: Da wird der Stuck, teils samt seinem Unterbau, ausgebessert oder nach historischer Technik neu gemacht, falls wo ein Stück fehlt, „das herausgeschnitten wurde, weil man einen Scheinwerfer anbringen wollte“, so der Teamleiter Johannes Höllriegl im Baustellen-Gespräch. Ein paar Meter künftiger Stuckleisten trockenen gerade auf einem Tisch. Da und dort werden Blätter oder Muschelmotive ausgebessert. Und schier überall ist Blattgold – in allen Phasen seiner Verwendung. Nicht nur im großen weiten Bogen über dem Bühneportal flattern noch unzählige überstehende Blattgold-Futzelchen bei jeder Bewegung eines Vorübergehenden.

Das Blattgold ist überhaupt eine Sensation innerhalb der Arbeiten, denn bei einer bauhistorischen Untersuchung im Vorfeld der Restaurierung wurde die ursprüngliche Wandgestaltung im Zuschauerraum wieder entdeckt. „Unter weißen und grauen Übermalungen, die in den späten 1930er Jahren vorgenommen worden waren, kamen die originalen Gold-Stuckaturen aus dem Jahr 1983 zum Vorschein“, berichtete Intendant Carl Philhip von Maldeghem bei dem Pressespräch heute Mittwoch (17.8.).

Das Bundesdenkmalamt hat eine „Musterachse“ gezogen – vom Parkett über die Brüstungen des Logen- und des Balkonranges bis hinauf zum Deckengemälde: Die Entscheidung ist nicht schwer gefallen, das grau-weiße Farbschema wird aufgegeben zu Gunsten der strahlenden Goldfassung.

Das große Deckenfresko (von Alexander Demetrius Goltz, von dem auch der „Mozart-Vorhang“ stamm) sei staunenswert gut erhalten, erzählt Johannes Höllriegl: „Was man an Farbe sieht, ist immer noch die Originalfarbe.“

Da hält man sich mit frischer Farbe logischerweise sehr zurück: „Man muss bei einer Restaurierung immer genau abwägen unt mitbedenken, ob man womöglich etwas schlimmer macht oder gar zerstört.“ Der Maler habe sich „am Rande des Deckengemäldes in einem von Putti gehaltenen Medallion selbst dargestellt“, liest man auf der Suche nach dem Schopfer des Deckenfreskos im Buch 100 Jahre Haus am Makartplatz.

Die Sitzreihen des Balkons schauen derzeit aus, wie in einem Amphietheater, so ganz ohne Sitze Polsterung. Nach abgeschlossener Renovierung werde dort oben nichts mehr „karzen“ betonte Bernhard Utz, der Kaufmännische Direktor des landestheates. Zuletzt habe das Knarzen der Balkonpodesterie einem Faust-Monolog durchaus Konkurrenz machen können. Auch die Saal-Bestuhlung wird neu.

Natürlich geht es nicht nur um Blattgold und Baustatik und Klappstühle – Generalplaner ist die Architekturwerktatt Zopf – auch die gesamte Bühnentechnik wird erneuert und auf aktuellen Stand gebracht. Das betrifft die Beleuchtung ebenso, wie die Kulissen, die bis zuletzt mittels Hanfseilen bewegt wurden. „Das Anstrengende ist nicht das Kulissen-Ziehen, sondern das Einhängen von Gegengewichten. Wenn man aber zehn Vorstellungen hintereinander bei 37 Grad Celsius vorwärtsgebeugt die jeweils 25 Kilo schweren Gegengewichte eingehängt hat, weiß man, dass es Zeit wird, für Neuerungen.“

Da hieß es Abschiednehmen. Durchaus mit einem Hauch Wehmut, wie die Maldeghem und Utz bestätigen. Es geht damit ja auch ein Stück Theatergeschichte zu Ende. Es gehe aber auch um die Arbeitsqualität für die Mitarbeiter und Mitarbeiterinnen – für die künstlerischen wie für die technischen. Da müsse man reagieren. Regisseure etwa erwarten „selbstverständlich“ modernste Licht-, Ton oder Video-Technik. Und auch „das“ Theater, also nicht nur das Landestheater, verfüge nicht über unbegrenzte Personal-Resourcen. „Wir brauchen zeitgemäße Arbeitsbedingungen.“ Die Menschen am Theater müssten ohnehin bereit sein, an Wochenenden und Feiertagen zu arbeiten. „Und es ist einfach attraktiver, das Theater-Wunder mit dem Joystick zu realisieren, als sich in zwölf Metern höhe an alten Scheinwerfern die Finger zu verbrennnen...“

Aufgrund der vorausschauenden Baustrategie des Landes sei über die Jahre hinweg regelmäßig und breit saniert worden, berichtet Bernhard Utz. Auf 13.6 Millionen komme daher die aktuelle und bisher größte Investition. Im Oktober werden die neuen Anlagen von den Firmen übergeben, die Produktionen kommen zurück ins Stammhaus und werden für Wiederaufnahmen an die neue Technik angepasst. „Künstlerisch-technische-Inbetriebnahme“ heißt das. Computertaste statt Seilzug...

Eröffnungsgala am Makartplatz ist am 12. November. Die ersten Produktionen der neuen Spielzeit steigen noch im Schlosspark Leopoldskron, im Paracelsus Bad & Kurhaus, im Oval im Europark und in der Felsenreitschule. Im Landestheater geht es dann regulär los mit den Buddenbrooks ab 25. November. Das Weihnachts-Kinderstück steigt noch im Marionettentheater - www.salzburger-landestheater.at
Bilder: dpk-klaba