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#kolchiscorp gegen #argoinvest

LANDESTHEATER / DIE ARGONAUTEN

01/05/23 Wenn's so richtig aufregend wird und Jason anhebt, das Goldene Vließ zu rauben, beginnt die Kohle im offenen Kamin rot zu leuchten. Wer's bis dahin nicht kapiert hat: Es geht um die Kohle! Im Safe wohl liegt der Aktenkoffer, aus dem es dann auch rot leuchtet. Man kann sich das Lachen nur schwer verkneifen, wenn Jason damit daherkommt.

Von Reinhard Kriechbaum

Hehrer Grillparzer, ach ja. Man räumt dem Dichter in Österreich einen hohen Stellenwert ein an der Kippe zwischen Klassik und Romantik. Erstens weil er schon zu Lebzeiten quasi als Staats-Autor gehandelt wurde, zweitens mangels ernsthafter literarischer Alternativen im Land. Aber stimmt schon, Libussa lohnt, Die Jüdin von Toledo auch. Aber Die Argonauten, Mittelteil der 1819 entstandenen Dramen-Trilogie Das goldene Vließ? Da denkt man im Lauf eines Theaterabends schon verdächtig oft darüber nach, dass Franz Grillparzer im Hauptberuf Finanzbeamter war. Als solcher hätte er wahrscheinlich Verständnis dafür, dass der deutsche Regisseur Nuran David Calis die Attacke der Argonauten auf Kolchis als eine Geschichte aus der Finanzwelt liest. Eine junge Crew von Finanzhaien um Jason – Argo Invest – luchst dem König Aietes, Chef von Kolchis Corp., das Bündel an brandheißen Super-Aktien ab. Oder was auch immer drin ist in besagtem Aktenkoffer.

Auf Kolchis hat man es sich gut eingerichtet im obersten Stockwerk. Für „stylisch“ halten das Leute mit Neureichen-Geschmack. Hinter dem Fenster eine Hochhaus-Skyline. Aietes (Matthias Hermann) versteht die Geldwelt, aber nicht seine Tochter Medea (Sarah Zaharanski), die an Tabletten hängt und herumkreischt, dass es in den Ohren weh tut. Sohn Absyrtus (Aaron Röll) ist ein unguter Papa-Schleimer, Gora (Tina Eberhardt), Medeas Amme, eine rechte Bissgurn. Man trinkt Whiskey und setzt Twitter-Botschaften ab. Dazu eignen sich Grillparzers Jamben erstaunlich gut.

Die Konkurrenz, so erfahren wir, schläft nicht, im Gegensatz zur Security beim Hauseingang. Jedenfalls stehen sie alsbald im Wohnzimmer/Büro: Jason (Maximilian Paier), gerade vollgekifft, sein Freund Milo (Gregor Schulz) und Atalante (Leyla Bischoff). Atalante ist und bleibt sachlich. „Jason, zurück! Besinn dich auf das Geschäftliche“, wird sie einmal mahnen. Aber das ist einer der ganz wenigen Wortausflüge in die Jetztzeit. Im Prinzip bleibt man beim (natürlich gekürzten und etwas entschlackten) Grillparzer'schen Original.

Medea, die Unangepasste, fliegt erwartungsgemäß auf Jason, und er auf sie. Konflikt um Medea und ums „Geschäftliche“. Eher täte Aietes die Tochter rausrücken als das Goldene Vließ. Alles höchst voraussehbar. Grillparzer hat die Geschichte mitsamt dem ihr innewohnenden Generationenkonflikt einigermaßen Mythos-getreu nacherzählt, der Regisseur hat die Sache leidlich plausibel in ein heutiges Setting übergeführt (Bühne: Anne Ehrlich, Kostüme: Anna Sünkel). Nach 140 Minuten verlässt man das Landestheater und weiß nicht recht, warum einen dieser Abschnitt des Argonauten-Mythos (in Grillparzer-Version) überhaupt und die Firmenübernahme der Kolchis Corp. von Argo Invest im Speziellen kratzen sollte.

Da tut auch der finale Ausflug ins Krasse eigentlich wenig zur Sache – Medea wirft sich mit blutigen Händen an eine Glasscheibe, die sie und Jason trennt: Da will uns Nuran Deavid Calis vermutlich sagen, dass sich nichts ändern wird. Für Medea nicht und nicht für die anderen Handelnden. Man steht zuletzt wieder zusammen, die Gläser in der Hand. Die Geld-Party geht weiter. Reichlich schematisch und durchschaubar sind die Figuren angelegt. Wenn es für eine oder einen emotionaler wird, dann wird rasch mal unkontrolliert herumgeschrien. Die feine Klinge ist keine Tugend, weder der Inszenierung noch der Schauspieler. Einzig Matthias Hermann als König Aietes entgeht der Eindimensionalitäts-Falle. Ihm schwimmen die Felle davon, Medea so wie dann das Vließ. Haltung bewahrt er nur dem äußeren Schein nach. Glaubt man Medea die Gewissensbisse, wenn sie ihre Familie verrät? Sarah Zaharanski muss einmal die Überdrehte, Tablettensüchtige spielen und dann wieder ein eh liebes Mäderl. Da ginge es halt sehr um die Zwischentöne. Maximilian Paier, der koksende Träumer Jason: Viel Zukunft wird Argo Invest mit diesem Firmenchef nicht haben.

Aufführungen bis 14. Juni – www.salzburger-landestheater.at
Bilder: Salzburger Landestheater / Anna-Maria Löffelberger

 

 

 

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