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Frustriert zuschauen beim Leben

SCHAUSPIELHAUS / DIE GLEICHGÜLTIGEN

07/04/11 Vom „Zahn der Zeit der Literaturgeschichte“ ist im Programmheft beiläufig die Rede. Alberto Moravias Debütroman „Die Gleichgültigen“ (1929) gehört wohl nicht mehr zum Lese-Kanon. Und auch auf der Bühne ist's eine verquer-distanzierte Angelegenheit.

Von Reinhard Kriechbaum

Der schöne Schein wird auf alle Fälle aufrechterhalten. Mariagrazia, eine aus der ehemals besseren Gesellschaft, hat zwar kein Geld mehr, für Villa und Scheinleben zahlt längst der Lover Leo. Der hat aber nur noch Interesse am Haus, nicht an der Dame. Mariagrazia, ihre Freundin Lisa und Leo stehen für ein mäßig perfektes Lügengebäude. In Wirklichkeit liebt man längst generationen-übergreifend. Die beiden Jungen, Carla und Michele, erleben Familie als Horror-Szenario. Und doch empfinden sie gegenüber dieser Gesellschaft bestenfalls Gleichgültigkeit. Von Werten, Zielen, vom Ausbruch aus der vorgespielten Saturiertheit verstehen sie eigentlich nicht mal zu träumen.

Die noch sehr junge österreichische Regisseurin Nora Hertlein will uns den Stoff nahebringen durch szenisches Einkochen. Pointierte Dialoge gibt es im Roman, tatsächlich. Es wird verdichtet, wo geht. Um aber die wirklich bedrückende Stimmung heraus zu bringen, brauchte es erzählerische Atmosphäre. Und dafür wiederum Theaterhandwerk. Daran krankt es, denn Nora Hertlein zeichnet mit der alten Garde am Schauspielhaus krass-gespreizte Figuren.

Volker Wahl (Leo) ist angehalten, den Snob schlechthin heraushängen zu lassen. Ulrike Arp (Mariagrazia) liefert auf Biegen und Brechen die Karikatur einer Hysterikerin. Am ehesten ein Mensch aus Fleisch und Blut ist Daniela Enzi als Lisa, Intrigantin aus Kalkül, auf der verzweifelt-hoffnungslosen Jagd nach dem Geliebt-Werden (was die anderen Alten schon aufgegeben haben).

Die hoffnungslosen Zwanziger: Christiane Warnecke (Carla) darf sich mit angewiderter Miene Leo hingeben (oder ist das ihr einziger mimischer Ausdruck?). Thomas Pfertner (Michele) hadert mit den existenziellen Fragen des Bürgersöhnchendaseins: „Ich lebe nicht, ich schaue mir zu beim Leben.“ Bei einem Leben, das zu „einer verpatzten Komödie“ geworden ist.

Diese verpatzte Komödie bleibt seltsam distanziert, so weit weg wie die Kostüme (Melanie Schrittwieser), die aussehen wie die postmoderne Resteverwertung von altmodischen Textiltapeten.Das reicht nicht zu Verheutigung.Die Bühne (Sabine Freude) zeigt ein Wohnzimmer und durch eine große Wandöffnung mit Bilderrahmen-Begrenzung einen weiteren Raum, wo eine riesige Pflanze als Un-Dekor herumsteht. Zwei Sitzgelegenheiten für fünf Leute: Da wundert es gar nicht, dass es eng wird.

Youngsters haben sich um einen Stoff bemüht, der ziemlich heutig wäre, beließe man ihn bei der Romanform. Oder hätte man Schauspieler bei der Hand, die ihre innere Erregtheit nicht ständig hinausplärrten, dass man gar verwundert nach dem Stücktitel schielt. Ja: „Die Gleichgültigen“ hieße Moravias Opus.

Aufführungen bis 12. Mai – www.schauspielhaus-salzburg.at
Bilder: Schauspielhaus Salzburg / Eva-Maria Griese

 

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