Das Lied und das Leid der Gelsomina

SCHAUSPIELHAUS / LA STRADA

16/09/11 Jetzt kann man sie im Theater erleben: die Bühnenfassung des 1954 gedrehten Streifens „La Strada“ von Federico Fellini. Die Geschichte über die Beziehung der kindlichen Gelsomina zum Großen Zampano. Leider bleiben fast alle Figuren so flach wie Pappgestalten in einem Kinofoyer.

VON URSULA TROJAN

Da nimmt man sich also für den Abend vor, das Stück auf keinen Fall mit dem Original vergleichen zu wollen. Und es beginnt auch schon dem entsprechend viel versprechend. Die Breitseite im Schauspielhaus-Studio wird bespielt, das Publikum ist hautnah am Schauplatz. Auf dem Boden ist Sand aufgeschüttet. Die in die Höhe gebauten Holzbänke deuten Zirkusränge an. Alle Mitwirkenden erscheinen und singen das erste Lied mehrerer „Canzone della strada“. Sie begleiten sich selbst auf Instrumenten und es klingt, als käme Stimmung auf. Wenn die ersten Figuren eingeführt werden, hat man noch Hoffnung auf Revue, Zirkus, Dramatik, Gefühle. Schon bald nimmt man jedoch zur Kenntnis, dass hier etwas Paradoxes passiert: Während in einem (guten) Film Personen plastisch hervortreten, macht hier auf der Bühne eine imaginäre Mattscheibe die Gestalten dahinter flach.

Zampano (Benjamin Plautz) ist ein chronisch wütender Typ. Er kauft die seltsame, kindliche Gelsomina (Katharina Pizzera) ihrer Mutter ab, weil er eine Gehilfin und Ansagerin für seine Auftritte braucht. „Ich bring sogar Hunden was bei“, sagt er großkotzig, und wenn das Mädchen nicht sofort pariert, spürt sie schon mal die Reitgerte. In dem ihr eigenen Tempo lernt sie, die Werbetrommel für ihren Herrn zu rühren, zu dem sie stumme Zuneigung aufbaut. Und zart, wie ein Vogeljunges, das aus dem Nest gefallen ist, singt sie. Diese zwei Szenen sind nahe dran, zu berühren. Aber sie sind schnell vorbei und dann macht der ständig zornig-polternde „Kettenzerreißer“ Geschichte und Atmosphäre wieder unglaubwürdig. So harrt man bis zur Pause der Geschehnisse. Richtiges Mitgefühl kommt nicht auf. Auch keine Aggression gegen den Wüterich.

In der zweiten Halbzeit jedoch taucht Matto auf, Artist und Clown. Maximilian Pfnür gestaltet diese Figur wunderbar authentisch, er hat als einziger etwas Dreidimensionales an sich. Dieser Matto lebt - aber leider nicht lange. Denn, wie die beiden durch den Abend führenden Erzähler (Olaf Salzer und Ute Hamm in einer von mehreren Rollen) deklamieren: „Matto und Zampano hätten einander nie begegnen dürfen.“

Robert Pienz zeichnet als Regisseur für diesen Adaptionsversuch verantwortlich. Von ihm stammen, in Zusammenarbeit mit Fabio Buccafusco (am Klavier), auch die Lieder. Das Schauspiel nach dem Drehbuch von Federico Fellini, Tullio Pinelli und Ennio Flaiano verfasste Gerold Theobalt.

Das berühmte Motiv von Nino Rota aus „La Strada - Das Lied der Straße“ wird von Gelsomina auf der Trompete kurz angedeutet und bleibt bis zum bitteren Ende – in Gedanken – ihre Melodie.

Aufführungen bis 22. Oktober - www.schauspielhaus-salzburg.at
Bilder: Schauspielhaus Salzburg / Eva-Maria Griese, Monika Schuller