asdf
 

Alte Böcke und jüngste Gerichte

KABARETT / MOTZART / SIGI ZIMMERSCHIED

06/02/12 Die Zukunft im Sinn und die Vergangenheit in den Akten, sagte einst Charles Talleyrand-Périgord. Nun haben Akten  die Angewohnheit, gelesen zu werden - und Aktenleser haben die Angewohnheit, ihren Nutzen daraus zu ziehen. Der Kabarettist Sigi Zimmerschied gab am Samstag (4.2.) einen kleinen Einblick in den tückischen Geist eines solchen Aktenlesers.

Von Nic Henseke

alt„Erpressung ist so ein böses Wort, ich erpresse nicht – ich erziehe“, betont Sigi Zimmerschied aka Adalbert Stauber, Angestellter einer Aktenvernichtungsfirma und leidenschaftlicher Datensammler. Immer wieder bleiben Dokumente in seinem Reißwolf „Wolfi“ hängen und statt sie zu vernichten, nimmt Herr Stauber die Möglichkeit zur Erziehung wahr. Ein Erzieher wie Caligula: So sieht er sich selbst. Getreu dem Lieblingszitates des Kaisers "Oderint, dum metuant" (Mögen sie mich hassen, wenn sie mich nur fürchten) überzeugt er andere Menschen davon, dass er Geheimnisse für sich behalten kann. Diese sollten sein Schweigen freilich mit kleinen Aufmerksamkeiten zu würdigen wissen.

Sigi Zimmerschied zeigt sich auf der Bühne als authentischer Charakterschauspieler, dem man die Rolle des Kanalarbeiters in menschlichen Angelegenheiten abnimmt. Und überhaupt muss der Zuschauer eine gewisse Neigung zur Koprolalie ertragen können, die der bayrische Kabarettist recht unappetitlich zu verwenden bereit ist.

Doch trägt es alles zu der Stimmung bei, die einen umfängt, wenn beim Schein der Neonlampe der Aktenfreund aus dem Nähkästchen des Erpressers und Insiders plaudert. So zieht der Kabarettist über alte Böcke und jüngste Gerichte, über Schläfer bei den Taliban und dem BND, politische Affären und ungewöhnliche Sexualpraktiken her.

Das Stück vor ausverkauftem Haus ist abwechslungsreich und amüsant und entfaltet im Zeitalter von Wikileaks und sozialem Netzwerk seinen vollen Reiz. Klar, wer füllt nicht sein Profil bei Facebook gewissenhaft und wahrheitsgetreu aus? Schließlich liest ja kein Fremder mit und man möchte sich auch nicht selbst belügen. Und wie sagte Adalbert Stauber doch gleich? „Menschliche Defizite rechnen sich!“

Bild: ARGEkultur

 

DrehPunktKultur - Die Salzburger Kulturzeitung im Internet ©2014