Wir sollten zu den Deutschen halten

MotzART KABARETT FESTIVAL / DORFER & SCHEUBA

02/02/15 „Sollten Sie Fußball schlechter finden als Dieter Bohlen, werden wir Sie heute Abend nicht erreichen.“ Doch Alfred Dorfer und Florian Scheuba haben uns alle erreicht: Die echten Fußball-Freunde vielleicht. Sicher aber die Angehörigen der „Wurst-Gruppe“. Dazu zählen alle jene, denen „erwachsene Männer, die in kurzen Hosen einem Ball nachlaufen“ sonst am A… vorbei gehen.

Von Heidemarie Klabacher

Alfred Dorfer und Florian Scheuba haben mit ihrem Programm „Ballverlust“ am Sonntag (1.2.) das MoztART Kabarett Festival angepfiffen. Vor ausverkauften Rängen in der ARGEkultur wurde dem Wahren, Guten und Schönen in Fußball und Philosophie, Politik und Wirklichkeit nachgespürt. Gefinkelte Fragen – etwa zum Verhältnis von Sieg und Moral oder zum Themenkomplex „Heiligt der Zweck die Mittel“ – wurden subtil abgehandelt.

Erhellend war das Ergebnis einer Umfrage im Parlament: Welche Abgeordneten sind Fans welcher Fußballclubs? SPÖ-Leute halten zu Rapid: Eh klar, auch wenn man von den Wurzeln im Arbeiterfußball nichts mehr merke. ÖVP-Angehörige halten zu Sturm Graz: Dieser Verein böte gute Beispiele für Überleben unter halb- oder ganz-kriminellem Führungspersonal. FPÖ-Abgeordnete halten, zur Überraschung der Kabarettisten, zu Bayern München: Erwartet habe man eher „Erster FC Nürnberg per Parteitagsbeschluss“.

Da haben Dorfer/Scheuba doch tatsächlich einmal scharf geschossen. Warum streifen die beiden Herren ihren eleganten philosophischen Fehdehandschuh nicht einfach mal ab und greifen zu härteren Bandagen? Das hat man sich als Angehöriger der Wurst-Gruppe schon manchmal gefragt. „Gewalt im Fußball“? Gibt’s anscheinend nicht. Irgendein sehr rabiater Spieler namens Pepe wurde wohl kurz auf Video eingespielt. Aber „gewaltbereite“ Hooligans kamen als „erlebnisorientierte Fans“ glimpflich davon.

Eine knappe Einführung für die Angehörigen besagter Wurst-Gruppe war übrigens hilfreich: „Fußball ist alles außer Handball.“ Es geht auch Popo oder Kopf. Alles andere sei der Hand Gottes oder Maradonas geschuldet.

Apropos Gott. Wie Prohaska auf die Frage „Wie erklärst du dir die Schöpfung?“ den Urknall live kommentiert - grandios! Vielschichtig das Problem der Raumdeckung: „Wie deck’ ich einen Raum, der sich ständig ausdehnt?“ Und eben die Frage nach Gott: „Was, wenn die Skybox leer ist?“ Oder nach dem Leben: „Wir existieren nur zum Zeitschinden.“ Philosophisch-Theologische Fakultäten sollten Fußball-Lehrstühle einrichten. Vor allem die Vorsokratiker und die französischen Existentialisten sind unter Ball-Aspekt neu zu lesen.

Gut gefallen hat der Angehörigen der Wurst-Gruppe die Feststellung „Um das Wesen von Shakespeare zu erfassen, schadet es nicht, auch Franzobel zu kennen.“ Der genaue Zusammenhang dieses Diktums mit der Wichtigkeit der „Austria“ für Wien konnte nicht ganz erfasst werden. Aber es hat mit dem Papa des einen der beiden zu tun. Da waren Dorfer und Scheuba schon tief in den persönlichen Erinnerungen an ihre erste „Fußballerfahrung“. Der Knabe von einst hat im Garten gegen sich selbst gespielt. Und: „Es war nicht alles schlecht unter Hoeneß.“

Acht Flughäfen in Linz und ein Containerhafen am Mondsee: Das entspräche den Vorbereitungen in Katar zur Fußball-WM 2022. Für 2026 empfehlen Dorfer/Scheuba Guantanamo: „Da hätte die Fifa alles unter Kontrolle.“

Gar nicht gefallen hat uns Salzburgern die Aussage: „Immer wenn ich an diese Stadt denke, verstehe ich die Idee der Neutronenbombe.“ Aber es ist eh um die Fußballfans gegangen. Ob in Salzburg der Sponsor tatsächlich dafür sorgt, dass unser Stadion ausschaut, „wie eine leere Kinderdisco“, das muss die Nicht-Wurst-Gruppe beantworten. Recht überzeugend war das eingespielte Film-Material von gähnenden Fans und gähnend leeren Stadions und die Hypothese: „Unsere Bundesliga ist ein Ulrich Seidl-Film.“ 

„Ballverlust“ – ein fulminanter Auftakt für die MotzART-Woche. Kabarett vom Feinsten.

Das 33. MotzArt Kabarett Festival bis Sonntag (8.2.) in der ARGEkultur - www.argekultur.at
Bilder: ARGE/Peter Rigaud