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Pudelmenschen und Kötermenschen

SCHAUSPIELHAUS SALZBURG / EIN VOLKSFEIND

05/02/15 Der Begriff „Gutmensch“ war in Ibsens Jahrhundert noch nicht geprägt. Hätte er ihn fallen lassen in Hinblick auf die Hauptfigur seines Stücks „Ein Volksfeind“? Und hätte er ihn desavouierend, beißend ironisch gebraucht? „Gutmensch“ und „Wutbürger“ gar in fataler Personalunion?

Von Reinhard Kriechbaum

Eine solche unheilige Allianz lebt nämlich in der Seele jener Figur, zumindest in der Auslegung von Susi Weber, wie sie Henrik Ibsens „Volksfeind“ im Schauspielhaus inszeniert hat. Ihr (und ihres Ausstatters Luis Graningers) Volksfeind residiert in einer schmuck designten Gartenvilla. Viel Glas bedingt eine gewisse Durchsichtigkeit, auch für die Bevölkerung des Ortes, eines Heilbads. Thomas Stockmann ist Kurarzt dort, und er hat eine fatale Entdeckung gemacht: Das Wasser ist verseucht. Es macht nicht gesund, sondern krank. Sein Bruder, der Bürgermeister, wüsste die Therapie: vertuschen, schon färben! Schließlich geht es ums Geld, ums Prosperieren und damit um den Wohlstand der ganzen Gemeinde.

Davon will Stockham nichts wissen. Als Arzt, Wissenschafter – und vor allem als Bürger will er die Wahrheit ungeschminkt publik machen. Anfangs wiegt er sich in Sicherheit, mit seinen allerbesten Kontakten zur örtlichen Boulevardzeitung und dem Gefühl, dass „wir Kleinbürger wie eine Mauer hinter ihnen stehen“, wie ihm einer zusichert. Aber er muss sich bald sagen lassen: „Die öffentliche Meinung ist ein überaus variables Ding.“ Ihm, dem vermeintlichen Aufdecker zugunsten des Menschenwohls, geht es bald als „Volksfeind“ an den Kragen.

Ibsen zeichnet die Figur keineswegs nur positiv. In dem Moment, da die Mehrheit sich von ihm, der es doch so gut meint mit seinen Mitmenschen, abwendet, lässt seine Umwelt lautstark wissen, dass er von Volkes Stimme absolut nichts hält. Sein Vortrag über hochgezüchtete Pudel und gemeine Straßenköter (nur die Pudel, die für die Denk-Elite stehen, sind lernfähig und eignen sich für Kunststücke) hat es in sich.

Einer, der solche Standesdünkel hat, akzeptiert es keineswegs, dass die in seinen Augen tumbe Masse das Sagen, gar das Recht auf ihrer Seite hat. Damit rührt Ibsen Grundfragen demokratischen Verständnisses an.

Regisseurin Susi Weber setzt noch eins drauf, was die bizarre Wesensart dieses Doktor Stockham anlangt. Von der ersten Wortmeldung muss Theo Helm in Blick und Gehabe einen selbstgefälligen eitlen Tropf abgeben, einen beständig aufbrausenden, rechthaberischen Komplexling, der keine andere Meinung neben der seinen duldet. So nimmt die Regisseurin der Figur (die wohl auf einen Typen genau dieser Wesensart hinaus läuft) alle Entwicklung – und dem Theaterbesucher die Möglichkeit, nach und nach der Selbstentlarvung dieses Menschen zu folgen.

Damit ist die Dramaturgie von vornherein ruiniert, und die anderen Protagonisten müssen, um dem hohen Aggressionspotential des „Volksfeindes“ zu parieren, andauernd ihrerseits aufdrehen, was das Zeug hält. Da schneidet man also heftig Grimassen, es wird wüst gestikuliert, jeder Satz bekommt Überdruck. Jeder Dialog steuert unvermittelt auf ein Überkochen der Emotion zu. Antony Connor (der Bürgermeister und Bruder des Arztes), Martin Brunnemann (der Journalist Hovstadt) und Herwig Ofner (Druckereibesitzer Aslaksen) sind die unmittelbaren Gegenspieler. Aber auch die zu wenigen Wortmeldungen verurteilte Frau Stockmanns – gespielt von Susanne Wende – wird von der Regie angehalten, dauer-hantig bis giftig dreinzuschauen.

Gehen wir davon aus, dass hinter dem bedeutungsschwangeren Nachdruck, der einem diesen Abend vergällt, die Absicht der Regisseurin und nicht schauspielerische Ungeschicklichkeit steckt. Irgendwie gerinnen alle Figuren dieses Stücks zur Karikatur: auch Georg Reiter als Morten Kill und, besonders unmotiviert, der in langen Schweipausen verharrende Moritz Grabbe als Horster.

Ein mehr als aktuelles Stück, nicht nur in Zeiten von Pegida oder (in Salzburg gerade aktuell) von Diskussionen darüber, ob Bürger bei stadteigenen Unternehmungen dreinreden dürfen sollen. Aber Ibsen wird hier leider mit dem Fleischammer ziemlich heftig platt geklopft.

Aufführungen bis 8. März – www.schauspielhaus-salzburg.at
Bilder: Schauspielhaus Salzburg / Marco Riebler

 

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