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Das Leid der Opfer begaffen

SCHAUSPIELHAUS / THE SWING THING

18/03/16 Die hässlichen Seiten des Showgeschäfts rückt die Produktion „The Swing Thing“ – nach dem Roman „They Shoot Horses. Don’t They?“ - im Salzburger Schauspielhaus ins Licht.

Von Werner Thuswaldner

Am Anfang war der 1935 erschienene Roman „They Shoot Horses. Don’t They?“ (auf Deutsch: „Nur Pferden gibt man den Gnadenschuss“) von dem Amerikaner Horace McCoy. Daraus machte 1969 der Regisseur Sydney Pollack einen Tanzfilm mit Jane Fonda in der Hauptrolle. Und inzwischen soll sich der Stoff unter einem neuen Namen, „The Swing Thing“, auch auf der Bühne bewähren. Kann ja vielleicht funktionieren, wenn es dafür ein Ensemble gibt, das höchsten Anforderungen gerecht wird.

Der Autor schrieb sein Buch unter dem Eindruck der schweren Wirtschaftskrise Ende der zwanziger, Anfang der dreißiger Jahre. Damals wurde in den USA ein besonderes Bühnenspektakel erfunden, der „Tanzmarathon“. Es war dies ein Scheinwettbewerb für Tanzpaare, denen der Gewinn von 1500 Silberdollar in Aussicht gestellt wurde. In der herrschenden Notzeit fanden sich genug arme Teufel, die sich in das menschenverachtende Abenteuer stürzten. Für die Veranstalter war dies eine prima Geschäftsidee. Die Paare strampelten sich buchstäblich bis zur Bewusstlosigkeit am, und das Publikum genoss es, ihr Scheitern zu begaffen und stürmisch zu beklatschen. Die Prozedur ließ an Grausamkeit nichts zu wünschen übrig.

Die Salzburger Bühnenadaption sieht so aus, dass die Zuschauertribünen links und rechts in der Mitte eine Spielfläche freigeben. Dort wird mit bewundernswerter Ausdauer nach den Swing-Rhythmen der dreißiger Jahre getanzt. Die Musik kommt von einer Combo und drei Sängerinnen, die auf einem kleinen Balkon über dem Eingang in den Saal postiert ist. Das ergibt eine seltsame Froschperspektive. Die Ausstattung hat sich Ragny Heiny ausgedacht. Sie beweist für die Kostüme aus der Zeit des Geschehens viel Stilgefühl.

Die Combo (Fabio Buccafusco, Piano, Fangtingdeng, Baß, und Malgorzata Szymecka, Drums) auf dem Balkon trägt den Abend mit Bravour.

Die von Jasmin Rituper einstudierten Tanzszenen sorgen zunächst für aufgeräumte Stimmung, bis der Showeffekt aufgebraucht ist. Es muss dann ja allmählich an den Tag kommen, wie fragwürdig dieser Tanzmarathon ist und was für tragische Schicksale mit den armen Beteiligten, die mit der Zeit aus ihrer Anonymität heraustreten und ein bisschen Kontur bekommen, verbunden sind. Regisseur Robert Pienz hätte für die Typenzeichnung womöglich noch etwas mehr Prägnanz aufbringen können.

Immerhin wird deutlich, wie infam die Lust der Menschen ist, sich am Leid der anderen zu weiden. Die abwegigen „Spiele“ im römischen Colosseum sind dafür ein Beispiel, die Schaulust an den Hexenverbrennungen und in milderer Form die Demütigungen, die mit Fernsehproduktionen wie „Deutschland sucht den Superstar“ verbunden sind. Die ORF-„Dancing Stars“ sind ja auch nicht gar so weit weg davon. Aber auch die Art, wie nun auf der Bühne des Schauspielhauses der amerikanische „Tanzmarathon“ nachgeahmt wird, macht nachdenklich. Was tun die vielen jungen Darstellerinnen und Darsteller anderes, als auf eine Karriere zu hoffen. Und was müssen sie alles auf sich nehmen, um auch nur in die Nähe des Ziels zu kommen? Dass Können allein nicht zählt, ist eine Binsenweisheit.

Zurück zur Aufführung. Am deutlichsten wird die Rolle der Gloria, die im Film Jane Fonda gespielt hat, und deren Partner Robert. Eingeblendete Gerichtszenen nehmen das Ende vorweg. Robert wird verurteilt, weil er Gloria den „Gnadenschuss“ gegeben hat. In der Bühnenaufführung zeigen Yael Hahn und Mathias Hinz glaubhafte Charaktere. Dies trifft auch für die unglückliche Alice (Alexandra Segurna) zu und den alternden Seemann Cline (Moritz Grabbe) zu, der eine bemerkenswerte Steptanz-Einlage beisteuert.

Ein Showmaster treibt die Tänzer an. Martin Brunnemann verausgabt sich in dieser Rolle und tritt so schurkisch und unsympathisch auf, wie es nur geht. Aber es gelingt ihm, das gutwillige Publikum im Saal immer wieder zum Klatschen anzuhalten. Es soll sich daran weiden, wie elendiglich die ehrgeizigen Showtalente scheitern.

Aufführungen bis 28. April – www.schauspielhaus-salzburg.at
Bilder: Schauspielhaus Salzburg / Gregor Hofstätter

 

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