Hunde sind klug genug, zu schweigen

KLEINES THEATER / AUFZEICHNUNGEN EINES WAHNSINNIGEN

10/05/16 Nicht erst im „Januar desselben Jahres, das auf einen Februar folgt“ verliert Aksentij Iwanowitsch endgültig die Kontrolle über sich und die Welt. Oder diese die Kontrolle über ihn. Wolfgang Kandler spielt im Kleinen Theater Nikolai Gogol.

Von Reinhard Kriechbaum

Es gibt Texte, die allemal dankbar sind für einen Schauspieler, was auch immer konkret rauskommt bei einer szenischen Umsetzung. Gogols „Aufzeichnungen eines Wahnsinnigen“ (früher als „Tagebuch“ eingedeutscht) gehören ohne Zweifel dazu. Da kann man so recht aus dem überquellenden Absurditäten-Vorrat schöpfen. Das Entstehungsdatum – 1835 – muss man im Auge behalten. Da geistern die Romantiker (E.T.A.Hoffmann ist gar nicht so weit weg) ebenso herum wie die sich im Biedermeier auf den „Vormärz“ hin zuspitzende Stimmung (gilt sogar fürs Zarenreich). Mag sein, dass Wolfgang Kandler in seiner Umsetzung das Subversive zugunsten des Skurrilen etwas zu sehr im Hintergrund hält.

„Beamter sein hat überhaupt nichts Anziehendes.“ So entkoppelt sich Aksentij Iwanowitsch rasend schnell von der Bindung an den Schreibtisch. Seine Liebe zur Tochter des Direktors ist sowieso hoffnungslos. Aksentij glaubt zu entdecken, dass Hunde reden können, schreiben sogar, aber klug genug sind, Gesehenes für sich zu behalten. Die Weltflucht nimmt immer psychopatischere Formen an. Als Aksentij sich zum König Spaniens erklärt, ist er endgültig reif für die Klapsmühle. Als „Opfer der Inquisition“ – als solchers sieht er sich – endet der gute Mann.

Wir besuchten die erste von zwei Aufführungen im Kleinen Theater, eine Schulvorstellung. Mit knapper Mühe hat der Applaus für ein Mal Verneigen gereicht. Da ist, so hörte es sich an, ein Theater am jungen Publikum ganz hoffnungslos vorbei geschrammt. Dabei wäre die knapp einstündige Aufführung schauspielerisch gar nicht schlecht. Zwischen Schreibtisch und Bett entfaltet Wolfgang Kandler in der Regie von Daniel Plier ein abwechslungsreiches Konglomerat aus unterschiedlichen Stimmungslagen und Seelen-Bruchstücken. Vielleicht ist der „Wahnsinnige“ in dieser Strichfassung und Darstellung einfach vom ersten Moment an zu durchgeknallt, als dass man Lust verspürte, tiefer hinein zu hören. Die Boshaftigkeit, die im Text steckt, kommt nicht deutlich genug raus.

Zweite Vorstellung am Mittwoch (11.5.) um 20 Uhr – www.kleinestheater.at
Bild: Kleines Theater