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Wer die CD hat, hat noch lange nicht die Musik

BIENNEALE / LECTURE ON NOTHING

21/03/11 „Wenn jemand schläfrig ist, soll er schlafen.“ Keine Rede davon! John Cages „Lecture on nothing“ besticht - unter anderem - mit Hintersinn und Ironie.  „Was ich Poesie nenne wird oft Inhalt genannt. Ich selbst habe es Form genannt.“ Der berühmte „Vortrag über Nichts“ fand am Freitag (18.3.) im Kleinen Studio des Mozarteums in Dieter Schnebel einen heiter-ernsten Referenten.

Von Harald Gschwandtner

alt„Ich bin hier, und es gibt nichts zu sagen.“ Es gibt nur wenige Texte, deren Lesung ein solches Maß an Disziplin und an – wie könnte man sagen – ‚heiligem Ernst‘ benötigt. Dieter Schnebel, am vergangenen Wochenende Schwerpunktkomponist der Biennale, brachte beides mit,  und ließ den von Ernst Jandl ins Deutsche übertragenen Vortrag in seiner ganzen rhetorischen und kompositorischen Pracht erstrahlen.

„Nirgendwo hinzugelangen“, das sei das Vergnügen, das die moderne Musik biete: John Cages „Lecture on nothing“ ist das radikale und vielschichtige Manifest einer modernen, autonomen, bindungslosen Kunst. Es setzt die Frage nach dem Nichts, die alle Formen moderner Kunst umtreibt, beeindruckend in Szene.

John Cage vertritt dabei eine Position, die die Möglichkeit des materiellen Besitzens von Kunst radikal in Abrede stellt: „Sich vorzustellen, man besitze irgendein Musikstück heißt das, worauf es ankommt verfehlen.“ Niemand solle sich einbilden, so Cage, dass er, wenn er eine Aufnahme erwerbe, „auch die Musik hat“. Diese kann nicht mit ökonomischem Kapital erworben werden. Auch die Anschaffung einer Plattensammlung ist demnach ein Irrweg: „Der Plattenspieler ist ein Ding, kein Musikinstrument. Ein Ding führt zu andern Dingen, ein Musikinstrument hingegen führt zu nichts.“

Wie jeder im weiteren Sinne poetologische Text ist auch die „Lecture on nothing“ ein Dokument der Selbstvergewisserung und der Positionierung im künstlerischen Feld: John Cage legt in seinem 1949 erstmals gehaltenen, aber erst 1959 gedruckten „komponierten Vortrag“ radikal dessen Gemachtheit und nicht zuletzt auch die Position des Musikers im künstlerischen Feld offen. „Ich mochte Tonalität nie“, heißt es da zwischendurch kokettierend. Das Vergnügen an Einzeltönen und an Geräuschen habe bei ihm stets überwogen. Doch abseits dieser rhetorischen Absetzbewegungen von den Konstruktionsprinzipien der ‚alten‘ Musik ist es gerade ein Aspekt, der die Faszination dieses so dichten Vortrags ausmacht: die Stille.

altDie Vorstellung von Stille beinhaltet dabei nicht zwangsläufig vollkommene Lautlosigkeit. Denn es gebe Stille, "und die Wörter erzeugen sie, helfen mit diese Stille zu erzeugen“. So steuert alles auf jenen großen Abschnitt des Schweigens zu, der wie „4'33"“ ebenfalls mit „tacet“ überschrieben sein könnte. Nur Dieter Schnebels sachtes Taktklopfen war noch zu hören.

„Es war ein Vergnügen“, heißt es anschließend im Text. Wie wahr! Dass diese Stille, dieses Nichts, den einen oder anderen Zuhörer irritieren könnte, ist auch schon bedacht: Mantraartig wiederholt sich am Ende mehrerer Abschnitte die Zeile: „Wenn jemand schläfrig ist, soll er schlafen.“

John Cages „Lecture on nothing“ besticht also nicht zuletzt auch mit Hintersinn und Ironie: „Was ich Poesie nenne wird oft Inhalt genannt. Ich selbst habe es Form genannt.“ Spielerisch geht Cage mit den tradierten Begriffen der Kunstbetrachtung und -beschreibung um und transferiert die Konstruktionsweisen eines Musikstücks in den Text des Vortrags: Passagen werden fast wortgleich immer wieder aufgenommen, jedoch mit kleinen rhythmischen Rückungen und minimalen Variationen. Refrains werden wiederholt, Leitmotive entwickelt. Wie weiland Hermann Broch in seiner virtuosen „Methodologischen Novelle“ lässt Cage das Gemachtsein des Kunstwerks deutlich durchscheinen. Von Unterteilungen nach den Gesetzen der Quadratwurzel ist hier die Rede und von genauen mathematischen Strukturen, die freilich das Erleben nicht ausschließen: „Sie haben soeben die Struktur dieses Vortrags erlebt.“

Bilder: Biennale/Christian Schafferer

 

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