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Kein leichter Brunch

BIENNALE / ARDITTI STRING QUARTET

27/03/11 Xenakis, Ferneyhough, Birtwistle – ein Programm mit „Paradebeispielen für die musikalische Komplexität der Moderne“, wie es im Biennale-Almanach so treffend heißt. Ist die Matineen-Stunde wirklich der geeignete Platz dafür? Auf das Arditti String Quartet fiel der letzte „Focus Streichquartett“.

Von Reinhard Kriechbaum

Starker Tobak von den ersten Tönen an – die im Fall von Iannis Xenakis‘ 1983 uraufgeführtem „Tetras“ die Erste Geige auf der G-Saite liefert, gleich mal auf höchstem Energiepegel, von dem das viertelstündige Stück gar nicht mehr weg kommt und auch nicht weg will. In „Tetras“ (das griechische Vier steckt logischerweise im Titel) beschreibt das Körperliche der Tonerzeugung. Das Drücken mit den Bögen auf die Saiten, das Kratzen und das Schaben, die Physik des Sich-Reibens und Trotzdem-Tönens wird zelebriert, in Aufsplitterungen und Verdichtungen.

Das Arditti String Quartet setzte am Sonntag (27.3.) Vormittag im Solitär auf die ultimative Temperamentsentfesselung. So etwas muss man als Hörer erst gewachsen sein nach einer um eine Stunde verkürzten Nacht. Übrigens ist einem am Ende dieses sich nicht nur einprägenden, sondern einhämmernden Stücks unwillkürlich Fukushima eingefallen. Wie kann so eine hitzige Musik-Aktion enden? In diesem Fall entmaterialisierend, als ob die Halbwertszeit abgelaufen sei und die Atome zerfallen. Das haben die Ardittis so wundersam entschwebend gestaltet, dass es gleich mal spontane Bravo-Rufe gab.

Die Biennale-Zuhörer sind ja, wie sich nun auch am vierten Wochenende bestätigt, äußerst beflissen. Sie kommen zu jeder Tages- und Nachtzeit, und sie kommen auch, wenn anderes als ein leichter Brunch zu erwarten ist.

Brian Ferneyhoughs Sechstes Streichquartett ist im Vorjahr entstanden und deshalb ein schwieriges Stück, weil von allen Instrumenten jeweils die gesamte Tonskala und die komplette Bandbreite an Farben ausgereizt wird. Eine Art „Podiumsdiskussion“, bei der kaum einer mal innehält. Das ist an Dichte kaum zu überbieten und brauchte allein schon volle Konzentration. Wenigstens da wäre man als Hörer reif gewesen, in die Pause zu gehen.

Aber nein, eine solche Kammermusikmatinee sollte ja bündig durchlaufen, also noch Harrison Birtwistels „The tree of strings“ aus dem Jahr 2007. Auch das ist ein gut halbstündiges Werk, es kommt ebenfalls ziemlich wortreich daher, aber es folgt eher einer „Diskussionspraxis“, ist also nicht ganz so schwer zu durchschauen. Da lösen sich griffige Harmonien gleichsam aus einem harmonischen Urgrund aus Flageolett-Tönen. Das Bild eines Baumes darf man wohl so deuten, dass sich die Äste, sind sie einmal aus dem Stamm herausgewachsen, sehr eigenständig und doch art-gemäß entwickeln. Ganz augenfällig rücken gegen Ende die Spieler auseinander, nehmen an entfernteren Pulten Platz, jeder spielt beharrlich „seine“ Melodie und geht dann überhaupt ab. Nur der Cellist bleibt mit und auf seinen knorrigen Tönen sitzen.

Rückblickend: Der „Focus Streichquartett war jene Biennale-Schiene, die am meisten „Highlights“ bereit gehalten hat. Der Publikums-Zulauf war trotz abseitiger Konzertzeiten (Freitag spätabends und Sonntag am Vormittag) beachtlich.

Bild: Salzburg Biennale / www.ardittiquartet.co.uk / Astrid Karger

 

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