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Symphonieorchester und Poetry Slam

BIENNALE / ABSCHLUSSKONZERT

28/03/11 Da ist also ein schwarzer Hochenergie-Redner, der pointiert drauflos schwadronniert über Dämonen und Götter, über Katastrophen und Erlösung, über Verzweiflung und Liebe. Wie das Leben hat so spielt. Aber da ist auch ein riesig besetztes Symphonieorchester. Und eine Gruppe junger Leute, die für ein Publikum stehen, das regen Anteil nimmt, sich äußert und sich bewegt.

Von Reinhard Kriechbaum

Das tut ein ordentliches Konzert-Publikum natürlich nicht. Auch wenn man gerade den Biennale-Zuhörern Offenheit nicht absprechen kann. Aber für so etwas braucht es hierzulande eben junge Claqueure,  die ihren Auftritt aus den Reihen des Auditoriums ebenso geprobt haben wie das, was sie dann beitragen: Sie reagieren auf den rappenden, charismatischen Quassel-Onkel aus der Neuen Welt. In dem Fall war es eine Delegation der Salzburger Chorknaben und –mädchen.

Der Schweizer Altmeister Thomas Kessler ist (auch) Grenzgänger. Nach „crazy music“ hat er gestöbert und Aufnahmen mit dem Poetry Slammer Saul Williams entdeckt. In Los Angeles hat man sich schließlich getroffen, füreinander erwärmt, aneinander begeistert. Und schließlich haben die beiden Musikprojekte ausgeheckt.

„said the shotgun tot he head“ heißt ein Stück, das am Sonntag (27.3.) in der Großen Aula die letzte Pointe bei der Salzburg Biennale setzte: eine Österreichische Erstaufführung, klar. Wer spielt (und wer kennt) bei uns schon den 1937 geborenen Thomas Kessler? Manche sind eben - in dem Fall: leider! - nur in ihrer Heimat weltberühmt. In dem Fall in der Schweiz. Das war also Neue Musik gekreuzt mit Poetry Slam, das Sinfonieorchester der Universität Mozarteum mutierte zum Monsterschlagzeug (auch die Streicher und Bläser). Viel Turbulenz in dieser lebefrischen, temperamentvollen „Bauch-Musik“.

In good old Europe ist so etwas eine Erwähnung wert. Und manche rümpfen die hoch getragenen Nasen. Wenn es einer, wie Bernd Alois Zimmermann, in einem Trompetenkonzert aus den Bläserreihen so richtig jazzeln lässt, dann wird er bestraft und einfach ganz selten aufgeführt. Drum kennt man dessen 1955 (!) uraufgeführtes Stück mit dem Titel „Nobody knows the trouble I see“ bestenfalls von Hörensagen. Eigentlich könnte es ein Gassenhauer des 20. Jahrhunderts sein und wäre geeignet, auch konservativere Konzertbesucher vom Hocker zu reißen. Der Trompeter William Forman hatte am Sonntag dazu natürlich manches anzubieten, was die Stimmung zusätzlich aufgewühlt hat.

In Amerika hat man es dankenswerter Weise nie so genau genommen hat mit der Trennung zwischen E- und U-Musik. Da waren und sind Grenzgängereien in alle Richtungen üblich. Schon zu Zeiten von Charles Ives. Trostreich vielleicht: Auch dessen „Unanswered Question“, 1906 entstanden, hat fast vierzig Jahre auf die Uraufführung warten müssen. Auf dem Podium standen bloß der Dirigent und die vier Querflötistinnen. Die Streicher tönten sanft-schmalzig vom Foyer herein, und die Solo-Trompete stellte ihre Frage durchs kleine Fenster von der Tonmeisterkabine in den Saal. Hübsche Raumwirkung.

Begonnen hatte der Abend mit einer sanftmütigen Konzertmusik: „Quiet City“ von Aaron Copland, für Trompete, Englischhorn und Streicher. – Bestens einstudiert das Orchester unter der Leitung Jonathan Stockhammer. Der Abend war wohl auch für die Musikstudenten eine Herausforderung. Und ein Erlebnis.

Ausschnitte der beiden Biennale-Konzerte mit Werken von Thomas Kessler sind im Ö1-Zeitton am 5. April um 23.03 Uhr zu hören.
Bild: Salzburg Biennale

 

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