Das Sehen war ein ziemlicher Schock

HINTERGRUND / SALZBURG BIENNALE / BOLESZNY-STIPENDIUM

01/03/13 Die Welt war wohl nicht so, wie die blinde Maria Theresia von Paradis sie sich inwendig ausgemalt hatte: Als es dem Arzt Anton Mesmer gelang, sie sehend zu machen, hat es ihr zwar nicht die Sprache verschlagen. SAehr wohl aber die Fähigkeit, Musik auswendig zu spielen…

Eine interessante Dame jedenfalls, nicht nur für die Musikgeschichte. Maria Theresia von Paradis (1759-1824) machte sowohl als Pianistin wie auch als Komponistin (sie war Schülerin von Antonio Salieri) auf sich aufmerksam. In der M ozart-Biographie taucht sie auf, weil Vater Leopold in einem bried berichtet, der Sohn mache ein Konzert "für die Paradis nach Paris“.

Blind war sie, aber wohl nicht im physiologischen Sinn. Vielleicht würde man ihre Blindheit heute ins Krankheitsbild der Hysterie einordnen. Die „echten“ Ärzte in Wien hatten ihr Augenlich jedenfalls abgeschrieben. Der „Wunderheiler“ Anton Mesmer experimentierte mit Magnetismus wäre wohl ein guter Psychologe gewesen wäre, wenn die Seelenheilkunde damals schon erfunden gewesen wäre. Jedenfalls hat er Maria Theresia von Paradis für kurze Zeit sehend gemacht – was sie sah, brachte ihr freilich nur einen weiteren Wahrnehmungsschock. Sie erblindete dann bald wieder.

„Black Mirrors – Hommage a Paradis“ heißt ein Werk, das am kommenden Sonntag (3.3.) um 15.30 Uhr in den Kavernen 1595 uraufgeführt wird. Gerhard E. Winkler ist der Komponist. Er hat das Projekt gemeinsam mit der Videokünstlerin Claudia Rohrmoser entwickelt. Live-Elektronik bestimmt das Werk, aber auch eine Geige. Auch Annelie Gahl war einbezogen ins Werk-Konzept. Das Stück will „die schmerzhaft widerständig erlebte visuelle Wirklichkeit der Musikerin künstlerisch erfahrbar“ machen. Man wird wohl sehen, was man hören wird.

„Black Mirrors“ ist ernöglicht worden durch das Boleszny-Stipendium der Stadt Salzburg. Es wird gespeist aus der Hinterlassenschaft der Kunsthistorikerin Irene Emily Boleszny, die zuletzt in Australien lebte. In ihrem Testament hat sie neben verschiedenen europäischen Kulturinstitutionen auch die Kulturabteilung der Stadt Salzburg bedachte. Die Erträge aus dem Kapital von rund 94.500 Euro – das sind jährlich knapp 4.000 Euro – bestimmte sie für die Aufführung und Pflege der Musik des 18. und 19. Jahrhunderts bzw. für die Ausbildung von Musikern, die sich damit auseinandersetzen. Das ist der Stadt nun immer ein bisserl peinlich, weil man eigentlich nicht die Musik der vergangenheit, sondern jene der gegenwart fördern möchte. Da kommen also solche Projekte wie „Black Mirrors“, das eben auf eine Persönlichkeit aus der Mozart-Zeit Bezug nimmt, gerade recht. So handelt man wenigstens nicht ganz krass den Vorstellungen der Eblasserin zuwider.

Von 2002 bis 2007 hat die Stadt Salzburg das Stipendium auf Vorschlag einer Jury jeweils jährlich vergeben; seit 2008 werden die Mittel angespart und jeweils punktuell größere Beträge für neue Kompositionen vergeben. Für „Black Mirrors“ standen auf diese Weise 11.700 Euro zur Verfügung. Gerhard E. Winkler hat die Elektronik in Zusammenarbeit mit dem Experimentalstudio des SWR realisieren können.

Doch zurück zu Anton Mesmer und Maria Theresia von Paradis: Dem umstrittenen Arzt hat Mozart mit dem Auftritt der verkleideten Despina bei der qauferweckung der vermeintlich „vergifteten“ Liebhaber ein musikgeschichtliches Denkmal gesetzt. Die blinde Musikerin hat einige Dinge in Bewegung gebracht: Johann Riedinger, Geiger und Librettist einiger Opern der Paradis, hat für sie eine Blinden-Notenschrift erfunden. Für ihre Korrespondenz verwendete sie eine von Wolfgang von Kempelen, ihrem früheren Hauslehrer, entwickelte Blinden-Schreibmaschine. 1808 gründete sie in Wien ein „Institut für musikalische Erziehung“, an dem sie junge Frauen in Klavier, Gesang und Musiktheorie unterrichtete. Valentin Haüy und Johann Wilhelm Klein waren von der blinden Künstlerin beeindruckt und begründeten die ersten Blindeninstitute in Wien und Paris.

Uraufführung von „Black Mirrors – Hommage a Paradis“ am Sonntag (3.3.) um 15 Uhr in den Kavernen 1595 – www.salzburgbiennale.at
Bild: Biennale / Claudia Rohrmoder (1); dpk-Archiv