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Ein kaltes Kalkwerk

BIENNALE / KALKWERK

08/03/13 Thomas Bernhards Roman „Das Kalkwerk“ ist ein Meisterwerk. Franz Schuberts Musik ist modern wie eh und je. Helmut Oehring hat daraus ein „Instrumentales Theater“ gemacht. Zu erleben war das bei der Biennale am Donnerstag (7.3.) im „republic“.

Von Gottfried Franz Kasparek

Helmut Oehring, hörender Sohn gehörloser Eltern, ist ein sehr begabter Musiker, zweifellos. Das Thema Bernhards, „das Hören und das Gehör, der Laut und die Stille“ interessiert ihn sehr. Bernhards „Held“ Konrad scheitert im Kalkwerk am Vorhaben eines Werks über das Hören und ermordet am Ende seine an den Rollstuhl gefesselte Frau. Es sind Chiffren für die Einsamkeit, für die Diskrepanz zwischen Innenwelt und Außenwelt, die das Faszinosum des Themas ausmachen. Das „Projekt von Parallelaktion“ hat am 14. Februar im Berliner Radialsystem eine nicht unumstrittene Uraufführung erlebt. Helmut Oehring übermalt gerne Stücke der Komponisten, die er für sich neu entdeckt und zu deren Werk er in Liebe entbrennt. Derzeit ist Wagner dran, ganz dezidiert. Heute hat in Düsseldorf „SehnSuchtMEER oder Vom Fliegenden Holländer“ Premiere. Schubert allerdings kommt im „Kalkwerk“-Programm gar nicht vor, desto mehr dominiert seine Musik das Stück.

Natürlich man darf das tun. Man durfte es immer. Die Geschichte der Übermalungen, Neukompositionen, Bearbeitungen, Variationen ist so alt wie die Musikgeschichte. Die Art und Weise, wie Oehring in seinem experimentellen Musiktheater Schuberts Quartett „Der Tod und das Mädchen“ und, besonders intensiv und lang, das singuläre Streichquintett zitiert, verfremdet, verzerrt, hat freilich etwas Quälendes an sich. Was sicher Absicht ist. Leider kann dadurch auch ein fataler Eindruck entstehen: ein Ensemble scheitert an Schubert und spielt ihn einfach falsch. Obwohl das Ensemble mosaik grandios spielt. Im Prinzip benötigt diese Musik keinerlei Verfremdung, um zeitlos zu wirken – und schon gar nicht ist sie als Hintergrundfolie für Bernhard-Texte geeignet, ebenso wenig wie Bernhard sie als Stimmungsmittel braucht. Für solche Verirrungen war Bernhard viel zu musikalisch.

„Kalkwerk“ ist höchst professionell gemacht. Irene Rudolf und Albert Lang haben den Text effektvoll eingedampft und produzieren auch Lacher, die im Halse stecken bleiben. Albert Lang hat mit dem Parallelaktion-Team zeitgeistiges Theater höchster Qualität gemacht. Das mosaik-Streichquintett spielt nicht nur die Noten perfekt, also Oehrings vorwiegend dissonant-minimalistischen Klangteppich mit langwierigen Schubert-Übermalungen und lapidarem Bach-Ende, sondern betätigt sich auch erfolgreich darstellerisch, redend, singend, murrend, auf der Bühnenfläche herumwandernd. Geradezu sensationell, auch als Rezitatorin, die Cellistin Lea Rahel Bader.

Die Bühne besteht aus aufgestapelten dunklen Plastik-Gemüsekisten, auf denen man gut herumturnen kann, aus vier verschnürten, koniferenartigen Gewächsen und Videos, die das Geschehen auf und hinter der Spielfläche übertragen. Der dunkelbärtige Typ, der realiter erst gegen Ende auftaucht, ist wohl Konrad. Die bewunderungswürdigen Schauspieler Niklas Bardeli, Sören Cananbley, Stephan Wolf-Schönburg und Nicolas Wackerbarth haben zwar Rollennamen, bleiben aber hervorragend organisierte Schemen. Die werkimmanente und im unakustischen Raum auch nötige Mikrophonisierung schafft weitere Distanz. Ein Gebärdensprecher ist auch dabei, beeindruckend. Außerdem sind Vogelgezwitscher und allerlei passende Geräusche zu vernehmen, es wird mit technischem Gerät hantiert, Erdäpfel werden gewaschen, sortiert und zerteilt, es wird mitunter herumgehüpft und das Quintett bildet einen magischen Kreis.

Am Ende bleibt große Kälte. Und der Wunsch, sich wieder einmal intensiv mit Schubert und Bernhard pur zu befassen.

Zuj aktuellen Programm der "Salzburg Biennale" (bis 17.3.): www.salzburgbiennale.at
Bilder: Salzburg Biennale / Wolfgang Kirchner

 

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