Eraser (over D under C#+Eb)

BIENNALE / DANZA PREPARATA

12/03/13 So steht es eindeutig in der „Tabelle der Präparationen“: John Cage hat genau vorgeschrieben, wo der Pianist Schrauben, Bolzen oder Radiergummis zwischen die Klaviersaiten stecken muss, damit aus einem gewöhnlichen Konzertflügel die geheimnisvoll fernöstlich klingenden und klingelnden Töne der „Sonatas and Interludes“ heraus kommen.

Von Heidemarie Klabacher

„Man bringt Dämpfer aus verschiedensten Materialien so zwischen den Saiten der zu spielenden Tasten, dass sie Veränderungen der Klaviertöne hinsichtlich aller ihrer Merkmale bewirken. … Im Effekt ist das präparierte Klavier ein Schlagzeugensemble in den Händen eines einzigen Spielers...“ Soweit John Cage. Auch die Tänzerin "präpariert" sich, nimmt etwa feine Stäbchen zwischen Ellenbogen, Finger und Schultern, bindet den Unter- mit Klebeband an den Oberschenkel oder steckt einen Arm bis zum Ellbogen in die Hosentasche: So „präpariert“ sind noch immer erstaunlich vielschichtige Bewegungen möglich.

Die sechzehn „Sonaten“ und vier „Zwischenspiele“ erzählen ein Stück Musikgeschichte, das sich von den frühen meist einsätzigen Cembalo-Sonaten eines Scarlatti bis eben in die Gegenwart eines John Cage erstreckt, der sich mit dem exotischen Klang des präparierten Klaviers auch vor der traditionellen indischen Philosophie verbeugen wollte... Man muss nicht all das nicht wissen, um „Sonatas and Interludes“ so zu lieben, wie etwa die Chopin-Preludes. Cages „Sonatas and Interludes“ gehören zu den zauberhaftesten Kompositionen für Klavier überhaupt, faszinieren mit ihrer Klangsinnlichkeit und ihrer vielgestaltigen rhythmischen Lebendigkeit.

Dass sich diese inhaltlich und musikalisch bis zum Rand mit Bedeutung aufgeladenen Stücke auch noch vertanzen lassen, und es noch immer nicht zu viel ist - das ist schon ein Wunder. Die Tänzerin Silvia Bertoncelli und der Pianist Rolf Hind brachten bei der Biennale im Republic am Sonntag (10.3.) „Danza Preparata“ zur Österreichischen Erstaufführung. Für die genau der Musik abgelauschten Choreographie, für die Bühne und das bestechend simple Lichtdesign zeichnet Rui Horta.

Meist war die Tänzerin „unpräpariert“, korresponiderte in den Bewegungen auf das Genaueste mit der Musik, ohne etwa deren vielschichtige Rhythmen einfach umzusetzen. Tatsächlich ergänzten sich Musik und Bewegung zu ganz eigenen Geschichten von Aufblühen und in sich Zurückkehren, von Ankämpfen und Einlenken: Je enger von den "Lichtschranken" die Grenzen auf der Tanzfläche gezogen wurden, je kleiner der Freiraum wurde, der Tänzerin übrig blieb, umso vielfältiger schienen deren Bewegungen zu werden. Freiheit in der Beschränkung, simpel, aber efffektvoll.

Auch diese Aufführung war eine Koproduktion der Biennale, in diesem Falle mit Casa da Música Porto und O Espaco do Tempo, Gulbelkian Foundation, KunstFestSpiele Herrenhausen, Guimaraes European City of Culture 2012.

Bild: Biennale/João Messias