Klassiker als Vorlagen...

SALZBURG BIENNALE / ZOOM / SIMON STEEN-ANDERSON

06/03/15 „In der europäischen Kunst und Musik wimmelt es von 'Nächtlichen Szenen', von Nocturnes und Notturni. Simon Steen-Andersens 'Inszenierte Nacht' ist ein Spiel mit berühmten Nachtmusiken von Bach, Chopin, Schumann, Mozart und Ravel.“ So heißt es auf der website des ensemble ascolta, das am Sonntag (8.3.) mit seiner „Inszenierten Nacht“ bei der Biennale in der ARGEkultur Station machen wird.

Von Heidemarie Klabacher

Simon Steen-Andersen gehört mit Jahrgang 1976 zur jüngeren Komponisten-Generation, „die ganz selbstverständlich und gleichberechtigt mit audiovisuellen Mitteln umgeht“, so die Biennale-Intendantin Heike Hoffmann. „Souverän überschreitet er Genregrenzen: Er komponiert, filmt, inszeniert, verantwortet die Klangregie und erfindet mit unerschöpflicher Fantasie neue Aufführungsformate zwischen Konzert und Musiktheater.“

Dabei könne es „durchaus vergnüglich zugehen“, etwa „wenn er mit dem oenm oder mit dem ensemble ascolta einige Arbeiten aus den letzen Jahren aufführt“. Heute Freitag (6.3.) wird die Biennale mit Werken für die Instrumente von Harry Partch eröffnet, ein Stück von Simon Steen-Andersen kommt dabei zur Uraufführung.

„Alte“ Stücke zeitgenössisch aufgepeppt ist dagegen das Konzept der „Inszenierten Nacht“ am Sonntag (8.3.). Das ensemble ascolta tourt mit der „Inszenierten Nacht“ von Simon Steen-Andersen seit Jahren erfolgreich durch die Lande und schaut damit nun auch bei der Biennale vorbei. Es ist heuer die letzte von Heike Hoffmann verantwortete Salzburg Biennale.

Simon Steen-Andersen, der Composer in Residence und Mittelpunkt im „Zoom“ des ersten Biennale-Wochenendes, hat für diese Produktion Klassiker des Repertoires – aufgepeppt, verfremdet... „Wie ein Theaterregisseur sich einem Stück nähert, so nähert sich der Komponist Simon Steen-Andersen mit musikalischen Mitteln den gewählten historischen Musikvorlagen, ‚inszeniert’ sie neu, aktualisiert und verstärkt dabei vorhandene Ideen-Elemente und Strukturen. Er befreit sie aus dem Korsett ihrer Musealisierung und macht ihren musikalischen Gehalt für ein heutiges Publikum unmittelbar erfahrbar.“

Der Komponist wolle die „Idee“ hinter einer historischen Komposition wieder in den Blick rücken, neigt diese doch dazu, „im selben Maß verloren zu gehen, wie das Stück selbst in geschichtliche Entfernung rückt“. Ganz konkret: „In Ravels Scarbo etwa hören wir weit mehr den französischen Virtuosenstil des frühen 20. Jahrhunderts, als dass uns die Komposition – wie intendiert – mit der Furcht erregenden Figur eines Nachtmahrs verstört.“

Ob nicht gerade das jeweils Überzeitliche/Überindivuduelle/Überanektotische einen Klassiker ausmacht, ist eine andere Frage. Das ensemble ascolta listet jedenfalls die Werke, derer sich Simon Steen-Andersen „angenommen“ hat, akribisch auf:

J.S. Bach: Schlummert ein, ihr matten Augen (aus Kantate „Ich habe genug“ BWV 82). Bach nutzt im Wesentlichen drei Mittel: Erstens absteigende Linien, harmonisches Sinken, Fallen. Zweitens eine tiefe Instrumentierung, Bariton-Solo. Drittens ein langsames Tempo. Alle drei Merkmale werden von Steen-Andersen sehr allmählich und subtil, aber schließlich erheblich verstärkt. Eine historische Aufnahme beginnt in bekannter Weise, sinkt im Weiteren in immer tiefere Tonregionen ab und wird gleichzeitig langsamer.

Robert Schumann „Träumerei“ (aus „Kinderszenen“ op.15). Schumanns Notentext erklingt fast unverändert, aber in einer Instrumentierung, die ihn ins Ätherische entrückt, und in ein Tempo kurz vor dem Stillstand. Im Schlaf fragen wir uns, wie viel Zeit verging. Und im Schlaf fragen wir uns: Was ist Zeit?

Wolfgang A. Mozart „Der Hölle Rache“ (aus „Die Zauberflöte“ KV 620). Lautes von nebenan durchbricht rüde diesen Traum. … Eine Drag Queen singt die berühmte Arie der Königin der Nacht. Technologie zwingt dem Sänger die Tonhöhen auf und verfremdet den Klang seiner Stimme zum Ruf aus einer skurrilen Parallelwelt.

Maurice Ravel: „Scarbo“ (Gaspard de la nuit). Der Pianist sitzt am vollständig abgedämpften Flügel und spielt das Stück, es erscheint immateriell und schattenhaft. Gleichzeitig wird eine vorproduzierte Tonaufnahme derselben Szene und eine filmische Aufnahme der Handbewegungen auf die Finger des Pianisten projiziert. Geringe Unterschiede in der Synchronizität gebären ein Gespenst. …

Simon Steen-Anderson steht am ersten Biennale-Wochenende im Mittelpunkt – am Freitag (6.3.) beim Eröffnungskonzert; am Samstag (7.3.) beim Konzert „Black Box Music“ mit dem OENM; am Sonntag (8.3.) bei der Performance „Run Time Error@MdM Salzburg“ und eben bei der „Inszenierten Nacht“ - www.salzburgbiennale.at - www.ascolta.de
Bilder: Wolfgang Kirchner (2); www.ascolta.de