Klingende Utopien

SALZBURG BIENNALE / ATLAS - INSELN DER UTOPIE

12/03/15 Wie bringt man Utopien zum Klingen? Was geschieht, wenn ein barocker Saal – wie der Carabinieri- Saal in der Alten Residenz – zur Zeitmaschine wird und uns mit Musik und Licht in eine Welt des Unerhörten beamt?

Von Heidemarie Klabacher

Utopia! Welch kluge Köpfe haben nicht Visionen gehabt und Pläne geschmiedet von der Renaissance bis in die Gegenwart. Dass aus idealen Staaten mit perfekten Menschen nicht selten blutige Diktaturen wurden, steht auf einem anderen Blatt. Ausserdem locken solche Inseln der Seligen, wie etwa die der Ba'ku in Star Treck, blutrünstige Invasoren geradezu an...

Nun jedenfalls klingende Utopien bei der Salzburg Biennale: „Atlas – Inseln der Utopie“ eröffnet heute Donnerstag (12.3. )im Carabinieri Saal der Residenz das zweite Wochenende.

Der Komponist José Maria Sánchez-Verdú und die Regisseurin Sabrina Hölzer versuchen nicht weniger, als die Utopie - interpretiert als „Nicht-Ort“ - sinnlich erfahrbar zu machen. „Sie schaffen Klang- und Lichträume von betörender Schönheit, die einander abwechseln, überlagern und durchdringen.“

Das Publikum könne dabei laut Programmbuch „seine Perspektive frei bestimmen, zwischen den Klängen und Orten beliebig umherwandern oder verweilen“. Auch die Musiker und Sänger wechseln ihre Positionen. „Das ungewöhnlichste Instrument, das an diesem Abend zum Einsatz kommt, hat der Komponist selbst entwickelt, das Auraphon, das die Live-Musik filtern, vervielfältigen, mit einer Aura versehen oder wie in einem Prisma brechen kann. Indem es einen virtuellen Klangraum bildet, ist es selbst Utopie.“

Auf der Programmschiene „Szenenwechsel“ zeigt Biennale-Intendantin Heike Hoffmann „Produktionen, die in vielfacher Weise Szenisches einbeziehen, theatralische Mittel benutzen oder ganz neue Aufführungsformate jenseits der klassischen Konzertsituation erproben“. Dazu geht Heike Hoffmann mit ihre Gästen auch in ungewöhnliche Räume. Der Karl Böhm-Saal, der Pausenraum von Haus für Mozart und Felsenreitschule, war schon einmal Schauplatz eines Abends zwischen Wandelkonzert und Musiktheater. Nun also ist es der Carabinieri-Saal.

„Tatsächlich erwarten den Besucher im Carabinieri-Saal Klang- und Lichträume“, so die Verantwortlichen. Mit der Staatengründung ist man vorsichtig: „Keine Vorschläge für Utopien, weil das die Musik nicht vermag. Musik ist artifiziell. Alternative politische Konzepte sind real. Eine Lebensgemeinschaft, in der sich jedes Gesellschaftsmitglied zum Besten aller Wesen verhält, so weit es ihm irgend möglich ist, möchte real sein. Aber ein musikalischer Raum ist irreal.“

Jeder Besucher könne in den Klang dieser verschiedenen „Unorte“ - oder eben „Utopien“ - eintauchen, könne sich bewegen, könne sich „legen, setzen, stellen, wie er wolle. „Sich dem musikalischen Raum hingeben und ganz für sich, intim, aber in Verbindung mit anderen, einen gemeinsamen Raum genießen, der aus jeder Position anders wahrgenommen wird”, so Regisseurin Sabrina Hölzer.

Auch die Musiker und Sänger – das Solistenensemble Kaleidoskop und die Neuen Vocalsolisten - wechseln ihre Positionen, und verleihen den Inseln im Raum klanglich reale Bedeutung. Die musikalische Leitung hat der Komponist José Maria Sánchez-Verdú.

„Atlas – Inseln der Utopie“, eine Produktion der KunstFestSpiele Herrenhausen gefördert durch die Kulturstiftung des Bundes, die Ernst von Siemens Musikstiftung und das EXPERIMENTALSTUDIO des SWR, kommt bei der Salzburg Biennale zur Österreichischen Erstaufführung.

Die Salzburg Biennale bis 22. März - www.salzburgbiennale.at
Bilder: SB/Wolfgang Kirchner