Reise durch fremde Galaxien

SALZBURG BIENNALE / ATLAS – INSELN DER UTOPIE

13/03/15 Menschen kommen einem entgegen - und verdutzt stellt man fest, dass man sogar selber unter den Entgegenkommenden ist. Der gute alte Spiegeltrick. Hier wird also mit Erwartungen gespielt und - tatsächlich ist vieles anders als gewohnt.

Von Dietmar Rudolf

Die Zuschauer sitzen auch nicht in Reihen, sondern wandern erwartungsvoll zwischen Podien mit Instrumenten, Glaskästen und anderen Installationen in dem dämmrigen Carabinieri Saal der Alten Residenz umher. Die Musik wird also überall sein, wie vor zwei Jahren beim Biennale-Auftritt von Rebecca Saunders. Der Abend „ATLAS – Inseln der Utopie“ am Donnerstag (12.3.) bei der Biennale soll von Zeit und Raum, Reise, Passagen und der Reflexion über Wahrnehmung handeln.

Drei Tamtams am Ende des Saales beginnen fahl und hallig zu klingen, durchtönen elektronisch verfremdet den ganzen Raum, ohne dass man sehen könnte, er sie bedient. Von einem der Podien fängt ein Ensemble an zu spielen. Die Musik changiert in langanhaltenden Tönen zwischen Geräusch und Klang. Dann aus verschiedenen Ecken des Raumes Sänger: wispernd, flüsternd, singend. Und weiterhin die sphärischen Sounds, die von den Tamtams ihren Ausgang genommen haben.

Wie von einem geheimen Magnetismus gezogen wandert das Publikum von Klang zu Klang durch den Carabinieri Saal, der in verschiedenen Farben erleuchtet wird. Im Schein seiner Pultlämpchen steht einsam der Dirigent, der mit präzisen Bewegungen die Sphärenklänge steuert.

Und beim weiteren Wandern mit dem Publikum entdeckt man die Tontechniker des SWF-Experimentalstudios Freiburg, die diese Anweisungen gemeinsam mit den wunderbaren Musikern des Ensembles Kaleidoskop und den Neuen Vocalsolisten in Klangflächen und- Klangräume verwandeln. Sie werfen sich Töne zu, wie Spielbälle und sie schöpfen alle Möglichkeiten aus vom Wohlklang bis zum Keckern und Schnarren. Bei den Sängern schälen sich bisweilen so etwas wie Worte aus den Lauten, aber sie bleiben unverständlich.

Manchmal fühlt man sich wie ein Betrachter des Sternenhimmels vor den Erkenntnissen von Kopernikus und Galilei. Man ist sich sicher, dass hinter diesen zauberhaften Laufbahnen und Konjunktionen ein geheimer Plan steckt, den man ahnt, aber nicht ganz begreift. Schönheit muss ja nicht immer verstanden werden, um als Schönheit zu gelten. Der Mann am Dirigentenpult, der Komponist des Werkes, José Maria Sanchez-Verdú, muss diesen Plan kennen, und auch speziell die Sänger, die von verschiedenen Ecken des Raumes auswendig auf den Schlag präzise einsetzen.

Was allerdings seltsam farblos bleibt, ist die theatralische Realisation. Sabrina Hölzer, die vielfach preisgekrönte Spezialistin für zeitgenössisches Musiktheater, die in gleicher Besetzung auch schon bei der Uraufführung in Hannover vor zwei Jahren Regie führte, beschränkt sich in ihrer szenischen Umsetzung auf wechselnde Farben, eine beleuchtete Stele, eine Urwaldinsel hinter Glas, eine zeitweilig in einem Glaskasten eingesperrte Sängerin und an die Saaldecke steigende Luftballons. Sich diskret gegenüber der Musik im Hintergrund zu halten, ist löblich, aber man möge es dem Rezensenten verzeihen, wenn er anmerkt, dass ihm ohne diese szenischen Kommentare keine wesentliche Bedeutungsebene verloren gegangen wäre.

Unklar – ohne beckmessern zu wollen - bleibt übrigens musikalisch auch, warum der Komponist des siebzigminütigen Werkes zum Schluss Klangballungen aufhäuft, als wolle er zu einem traditionellen Finale ansetzen und daran einen fast unmotiviert tonalen Epilog anschließt.

Das Publikum – wie aus einer Trance erwacht – spendete dem Komponisten und den Ausführenden den verdient großen Applaus.

Die Salzburg Biennale bis 22. März - www.salzburgbiennale.at
Bilder: SB/Wolfgang Kirchner