asdf
 

Sehen ohne gesehen zu werden

SALZBURG BIENNALE / LUNA PARK

23/03/15 Ständige Überwachung, immer und überall. Nichts und niemand kann sich vor der Kamera verstecken. Georges Aperghis stellt die Bewohner von „Luna Park“ gnadenlos zur Schau. Doch wie abwegig ist dieses Bild einer Stadt, in der jeder uneingeschränkten Zugang zur Privatsphäre des Anderen hat wirklich?

Von Larissa Schütz

Einen Overkill an Sinneseindrücken, so könnte man das Stück von Georges Aperghis auch bezeichnen, denn genau dem ist das Publikum in „Luna Park“ ausgesetzt. Die vier Protagonisten sitzen jeweils einzeln in einem durchsichtigen Kasten, der an jedem freien Punkt mit Kameras und Monitoren ausgestattet ist. Nichts bleibt ungesehen, ein Versteck gibt es nicht. Eine wahre Flut an Bildern flimmert über die Leinwände, einmal sind es die Gesichter der Protagonisten, dann wieder endlose Häuserfassaden und Straßen.

Untermalt von atmosphärischen Klängen und Geräuschen entsteht eine bedrückende Situation, in der das Publikum selbst zum Teil dieses Überwachungsmechanismus’ wird. Doch am bedrückendsten ist wahrscheinlich die Tatsache, dass Aperghis da keine Dystopie a la George Orwells „1984“ zeigt, sondern schlichtweg ein Abbild der heutigen Mediengesellschaft.

Die Kommunikation ist uneingeschränkt und in jeglicher Form möglich und doch bleibt jeder für sich alleine in seiner Zelle.

Die Flötisten sehen sich zwar via Bildschirm, zu einem Zusammenspiel kommt es dennoch nicht. Und ebenso läuft es mit der Kommunikation. Über die Bildschirme starten die Protagonisten immer wieder Kommunikationsversuche, doch der Sinn kommt beim virtuellen Gegenüber nicht an. Stattdessen wird fast stupide beschrieben, was gerade passiert in der Stadt.

Jede noch so unwichtige Handlung wird überwacht. Männer gehen zur Arbeit, eine Frau geht mit ihrem Hund spazieren. „Everything must be seen, must be showen!“, wiederholt Eva Furrer immer wieder, bis hin zur Sinnlosigkeit. Alles muss sichtbar sein. Dank der Surround Effekte der elektronischen Einspielungen fühlt man sich selbst wie in einer der Zellen auf der Bühne.Von jeder Seite kommen sekündlich neue Eindrücke, still ist es dabei nie.

Aber nicht nur beobachten können sich die Bewohner von „Luna Park“, sie können sich und ihr Umfeld auch kontrollieren. Flötist Micheal Schmidt leitet mit dem Instrument die Bewegungen seines Nachbarn Richard Dubelski und Johanne Saunier schubst seinen Kopf auf dem Bildschirm vor sich hin und her.

Auch auf die elektronischen Einspielungen wird reagiert und sich bewegt, bis man irgendwann nicht mehr weiß, wer hier wen kontrolliert. Der Computer die Menschen, die Menschen die Geräusche oder die Kamera alles zusammen?

Georges Aperghis’ „Luna Park“ kann man als Spiegelbild der medienabhängigen Gesellschaft sehen, es ist aber noch mehr. Denn es ist ebenso die über allem stehende Kontrolle, die eine tragende Rolle spielt und der sich die Protagonisten bewusst aussetzen, wenn sie etwa vor eine der vielen Kameras treten.

Zum Schluss vermischen sich ihre Bilder auf den Monitoren, alle zusammen bilden ein Ganzes, sprechen und spielen gleichzeitig, bis man nichts mehr unterscheiden kann, was gesprochen, was gespielt und was elektronisch erzeugt ist. In diesem Chaos an Informationen und Eindrücken wird das Publikum letztlich zurück gelassen. Der ein oder andere mag sich beim Verlassen des Republic’ zweimal überlegt haben, ob er das Smart Phone wirklich wieder einschalten soll.

Die Salzburg Biennale, die letzte von Intendantin Heike Hoffmann verantwortete, ist am Sonntag (22.3.) zuende gegangen. 26 Veranstaltungen brachten Werke von 46 Komponisten aus 16 Ländern, acht Uraufführungen und zwanzig Österreichische Erstaufführungen, darunter sieben szenische Produktionen. Die Auslastung liege bei 91 Prozent, meldet die Salzburg Biennale.

Bilder: SB/Wolfgang Kirchner

 

DrehPunktKultur - Die Salzburger Kulturzeitung im Internet ©2014