Geheimnisvolle, lebende Skulpturen

KUNSTVEREIN / I SURRENDER, DEAR / ANIMATE

23/09/16 Das Salzburger Künstlerhaus ist bis 27. November fest in Frauenhand. Besucherinnen und Besucher sind herausgefordert, sich mit markanten Positionen der Gegenwartskunst auseinanderzusetzen.

Von Werner Thuswaldner

Die aus Feldbach in der Steiermark stammende, in Wien lebende Künstlerin Angelika Loderer präsentiert im Kabinett des Künstlerhauses ein Experiment. Für ihre einfachen Skulpturen, die sie selbst „Blöcke“ nennt, hat sie ein ungewöhnliches Material gewählt: das Myzel. Das Myzel befindet sich, wie wir in Naturkunde gelernt haben, im Boden oder im Holz eines Baumes und ist in der Regel nicht sichtbar (außer etwa an der Oberfläche eines Stücks Camenberts). Was sichtbar ist und „Pilz“ genannt wird, ist der Fruchtkörper. Myzel-Systeme können im Boden eine Größe bis zu über einem Quadratkilometer erreichen.

Angelika Loderer schneidet aus dem Myzel einfache Körper heraus, die sie in Plastik einhüllt, denn das Myzel ist ein lebender Stoff, der Feuchtigkeit braucht, um wachsen zu können und nicht auszutrocknen. Diese „Blöcke“ werden sich also im Lauf der Ausstellung weiterentwickeln, wenn sie entsprechende Fürsorge bekommen. Regelmäßiges Gießen wird nötig sein.

In zwei kleinere Blöcke hat Angelika Loderer ein Paar Schuhe ihrer Mutter gesteckt (sehen aus wie Plateauschuhe). Vielleicht werden sie sich ja – weil es sich um lebendes Material handelt – während der Ausstellungsdauer fortbewegen. Manches ist also, weil es ja um ein Experiment geht, offen.

Im Hauptraum haben sich drei Künstlerinnen zusammengetan und sich einem sehr, sehr losen gemeinsamen Thema (anwesende oder abwesende Körper im Raum) verschrieben. Hayley Silverman aus New York hat eine Art Vogelscheuche gebastelt, die auf einem hohen Sockel sitzt und sich „The Debt Collector“ (Schuldeneintreiber) nennt. Auf dem Schoß hat sie eine metallene Scheibe, auf der, wie es aussieht, die Schuldner verzeichnet sind. Die Figur schaut bizarr und bedrohlich aus, besteht aber nur aus einer Hülle. Hayley Silverman hat auch einen Wandschirm geschaffen, mit Motiven, die von einem menschlichen Wesen stammen, das sich einer eindeutigen geschlechtlichen Festlegung entzieht.

Von der Kosovarin Flaka Haliti sind vier dominante, L-förmige Körper zu sehen, die als Bauteile einer Konstruktion, aber etwa auch als extrem abstrahierte menschliche Leiber gedeutet werden können. Sie führt noch eine andere Form der rigorosen Abstraktion vor: mittels zweier mit kleinen Quadraten bedruckter Tapeten, die bis hoch zur Decke reichen. Auch das sind „Körper“, digital, also mehr oder weniger immateriell.

Die Österreicherin Anna-Sophie Berger hat zehn textile Objekte im Raum so verteilt, dass sich eine Beziehung zwischen ihnen und den Arbeiten der Künstlerkolleginnen herstellen lässt. Die Ausstellung lädt dazu ein, die eigene Phantasie in Bewegung zu setzen, um Assoziationen in Hülle und Fülle zu produzieren.

Bis 27. November im Salzburger Künstlerhaus – www.salzburger-kunstverein.at
Bilder: Salzburger Kunstverein / Angelika Loder (1); Andrew Phelps (2)