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Von der Gaisberg-Hütte zu den gestrengen Nonnen

HINTERGRUND / AUSSTELLUNG JOHN HEARTFIELD

10/05/23 John Heartfield (eigentlich Helmut Herzfeld, 1891-1968) spielt als Dadaist eine Rolle in der Kunstgeschichte Deutschlands in der Zwischenkriegszeit und dann in der ehemaligen DDR. Aber es gibt auch einen biographischen Salzburg-Bezug. Darauf verweist eine Ausstellung im Literaturhaus Salzburg. Eine wüste Geschichte.

John Heartfield (eigentlich Helmut Herzfeld, 1891-1968) war ein Pionier an der Schnittstelle zwischen Kunst und Medien und gilt als Erfinder der politischen Fotomontage. Heute ist der Grafiker vor allem durch seine antifaschistischen Hitler-Fotomontagen bekannt. Kein Wunder, dass seine und seiner Künstlerfreude Arbeiten den Nazis als entartet galten. Ein Aufsässiger war aber schon sein Vater Franz Herzfeld, bekannt als Franz Held, anarchistischer Autor von Dramen, Lyrik und Prosa. 1895 wurde er wegen Gotteslästerung angeklagt und er floh mit seiner Familie in die Schweiz. Schon im Jahr darauf wurde die Familie Herzfeld aber aus der Schweiz ausgewiesen und fand Unterschlupf in einer Almhütte auf dem Gaisberg.

Hier setzt eine abenteuerliche Biographie ein. Im Sommer 1899 verschwanden die Eltern über Nacht spurlos und ließen ihre vier Kinder in der Berghütte zurück. Der Junge Helmut (der spätere John Heartfield) soll nach dem Verschwinden der Eltern vier Tage lang im Wald herumgeirrt sein. Der Bürgermeister der damals noch selbständigen gemeine Aigen bei Salzburg Ignaz Varnschein nahm die vier Kinder bei sich auf. Als einziges protestantisch getauftes Kind in der Runde hatte er angeblich nichts zu lachen.

Nach der Beteiligung an einer Schülerrevolte gegen einen Lehrer ließen die Salzburger Pflegeeltern Helmut in eine von Nonnen geleitete Zwangserziehungsanstalt einweisen, wo er gequält wurde. „Eine der Züchtigungsarten der Nonnen war, die nackten Rücken der Knaben mit Brennesseln zu peitschen. Und damit ihre mißratenen Zöglinge Demut lernten, mußten sie sich quer über den Gang legen, worauf die frommen Frauen im Gänsemarsch über sie hinwegschritten.“

Das beschreibt Heartfields Bruder Wieland in einem Buch mit Kindheitserinnerungen an die Zeit in Salzburg. Die skandalösen Vorgänge bewirkten, dass die Varnscheins den Jungen wieder bei sich zu Hause aufnahmen. Eine Tante, die bei einem kurzen Besuch die unglückliche Lage ihres Neffen erkannte, nahm ihn nach der Schulentlassung im April 1905 – nach neun Salzburger Jahren – zu sich nach Wiesbaden. Dort trat er eine Lehrstelle an, fasste aber bald den Entschluss, Maler zu werden.

Was aus den Eltern geworden ist? Franz Held wurde schließlich in Bozen aufgegriffen und in eine Irrenanstalt eingeliefert, 1908 starb er in einer Vorarlberger Nervenheilanstalt. Seine Frau starb 1911 in einer Irrenanstalt nahe Berlin.

1907, als Sechzehnjähriger, malte Heartfield das Ölbild Die Hütte im Wald – wohl in Erinnerung an die Hütte auf dem Gaisberg. Dieses Gemälde ist nebst Fotografien, Plakaten, Collagen, und Büchern in der Schau zu sehen, die Heartfields Salzburger Verbindungen erhellt. Die Hütte, eine künstlerische Intervention von dem deutschen Künstler Hans (Hs) Winkler, ist im Literaturhaus aufgebaut. Sie soll nach Ausstellungsende in den Bestand des Museums der Moderne übergehen.

In Deutschland wurde John Heartfield schließlich ein wichtiger Vertreter des Dadaismus. Sein Künstler-Freund George Grosz brachte ihn zur Kommunistischen Partei. Man bekämpfte Militarismus, Kapitalismus, bürgerliche Trägheit und stellte die Position der Kunst und des Künstlers in Frage. Gemeinsam mit Raoul Hausmann organisierten sie in Berlin 1920 die erste Internationale Dada-Messe – ein Meilenstein der zeitgenössischen Kunst. Mit dem Schriftsteller Kurt Tucholsky gestaltete Heartfield 1929 das gesellschaftskritische Foto-Text-Montage-Buch Deutschland, Deutschland über alles – eines der umstrittensten literarischen Publikationen der Weimarer Republik: Trotz Boykottaufruf wurden bereits in den ersten Tagen 12.000 Exemplare verkauft. Heartfield floh schließlich vor den Nazis über Prag nach London.

1950 kehrte er nach Deutschland zurück, erst nach Leipzig. Sein Dichter-Freund Bertolt Brecht überredete ihn in die Nähe von Berlin zu ziehen, in ein Sommerhaus in Waldsieversdorf in der Märkischen Schweiz nördlich von Berlin, das er bis zu seinem Tod 1968 nutzte. Es ist heute ein Heartfield-Museum. Das Salzburger Rupertinum hat John Heartfield schon zwei Mal Ausstellungen gewidmet, 1997 und 2003.

Zur Eröffnung der Schau im Literaturhaus morgen Donnerstag (11.5.) um 19.30 führt Hans Winkler ein Gespräch mit der britisch-deutschen Kunsthistorikerin und Publizistin Helen Adkins und dem österreichischen Architekturhistoriker und Stadtforscher Norbert Mayr über Heartfield und dessen Verbindung zu Salzburg. Danach lesen die beiden Südtiroler Autoren Kurt Lanthaler und Martin Hanni aus dem Buch Franz Held: Vor-Dadaistische Texte aus Jenesien. (Literaturhaus Salzburg/dpk-krie)

DADA ist GROSS. John Heartfield & Salzburg. Ausstellung bis 31. August im Literaturhaus Salzburg – www.literaturhaus-salzburg.at
Bilder: Literaturhaus Salzburg

 

 

 

 

 

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