Gestichelt und zugenäht

KUNSTVEREIN / NOVAK

17/02/11 Die Kette im Eck scheint noch vom letzten Gefangenen zu erzählen. Bei genauerem Hinschauen entpuppen sich die überdimensionalen Kettenringe als Manschetten von Blusen und Hemden. Mann und Frau aneinandergekettet mit zerschlissener Materie?

Von Heidemarie Klabacher

altDer Große Saal im Kunstverein wirkt seltsam leer. Zwei Videoarbeiten haben für ihre Projektoren abgeschlossene Nischen in der vorderen linken und in der hinteren rechten Raumecke bekommen. Zusätzliche weiße Wände machen den Withe Cube zugleich vielgestaltiger und einförmiger. Im arktischen Weiß: Arbeiten von Marzena Nowak.

Alles hänge bei der polnischen Künstlerin mit dem Körper zusammen, so Kunstvereinsleiterin Hemma Schmutz: „Der Körper ist hier Seismograph der Seele.“ Und „Seele“ werde räumlich gedacht: „Wir sind also in einem dreidimensionalen Raum der Seele, wenn wir in einer Ausstellung von Marzena Nowak sind.“

altDort ist es also ziemlich leer: Wie vergessene Artefakte aus der Kindheit lehnen ein paar bunte Hulahopp-Reifen an einer der eingebauten Wände. Sie sind freilich nicht aus Plastik, sondern aus Stahl, werden dafür mit Kaugummi zusammen gehalten. Was ja wieder gut zu Kindheit passt. Auch ein paar wie zufällig liegen gebliebene bunte Bauklötzchen - „Klocki“ aus 2011, Acrylfarbe diesmal auf Holz - greifen das Kindheitsthema auf.

Aus einer anderen Zeit scheint auch das zentrale Werk zu stammen: Wenn auch „ohne Titel“ erzählt die mit 190 auf 548 überdimensionale Leinwand beredt davon, wie einst unser aller Mütter noch selber geschneidert haben. Vielleicht, während im Fernsehen Peter Alexander sang. Letzterer fällt einem zwar nur aus traurigem aktuellen Anlass dazu ein. Dennoch hat das scheinbar wirre Liniengeflecht aus originalen Schnittmustern eine goldene Aura von Burdaheft und frühen Siebzigern.

altWie gerne die „Selbstgenähten“ seinerzeit getragen wurden, werden die Betrachterinnen und Betrachter selber erinnern. Erinnern - an die See - sollen auch die beiden bemalten Steine.

Viel Witz hat die - „naturgemäß“ - winzige Arbeit „Space Between Big and Second Foot Toe as Keyhole“. Man sieht nichts durch dieses Schlüsselloch. Es führt in kein Schloss und damit auch nicht in einen anderen Raum. Es steckt verschmitzt in der weißen Wand und lädt zum Phantasieren ein.

Der feinsäuberlich gesäumte bizarre Teppichausschnitt „Space Between“ führt ebenfalls in einen Zwischenraum, in dem die Phantasie frei walten kann: Wie sind die Möbel gestanden, dass ausgerechnet diese Tangram-Figur in Teppichgestalt frei geblieben ist… Marzena Nowak wurde 1977 in Piaseczno bei Warschau geboren und lebt und arbeitet in Warschau.

Bis 24. April - www.salzburger.kunstverein.at
Bilder: dpk-klaba