Hakenschuhe, Gewicht: belastend

MUSEUM DER MODERNE / IM DIALOG MIT 1918 1938 1968

27/04/18 Gleich beim Eingang steht ein Architekturmodell, das zu denken gibt: Der Amerikaner Dan Grahams hat sich 1989 diesen „Star of David Pavillon“ 1989 ausgedacht. Das gläserne Ding wäre wohl ein höchst bemerkenswertes Mahnmal – hätte man es denn wirklich einmal gebaut.

Von Reinhard Kriechbaum

So also ist der Davidstern-Pavillon Modell geblieben. Eines von 2100 Werken von 250 Künstlerinnen und Künstlern aus der Sammlung der Generali Foundation. Deren Dreißig-Jahre-Jubiläum ist heuer Anlass für eine ganze Reihe von kleineren und größeren Ausstellungen. Der Fülle an Material ist wahrscheinlich ja gar nicht beizukommen – wenn man's versucht, dann wohl am besten mit thematischen Anknüpfungspunkten. Die Häufung an Gedenkjahren ist ein tragkräftiger Ansatz. Viele Künstler, die hier vertreten sind, waren ja in der 68er-Bewegung in vorderster Reihe dabei. Günter Brus' „Wiener Stadtspaziergang“, Valie Export mit Peter Weibel an der Leine – die Aufnahmen sind längst Ikonen der Kunstgeschichte.

Für die Schau jetzt hat man also nach Werken gesucht, die in irgendeiner Weise mit 1918, 1938 und 1968 zu tun haben – sei es visonär (Käthe Kollwitz; „Ein Weberaufstand wirkt wie eine Vorahnung auf die Gräuel der Esten Weltkriegs), sei es unmittelbar aus der Zeit heraus oder  sei es aus kritisch-retrospektiver Perspektive. Bruno Gironcoli (1936-2010) ist als Bildhauer berühmt. Seine Temperarbeit „Hakenschuhe“ zitieren die Swastika nicht unmittelbar, und doch lässt der Untertitel „Gewicht: belastend“ keine Zweifel. Doch 1973, als dieses Blatt entstand, war die Zeit für wirklich vehemente Auseinandersetzung mit der braunen Vergangenheit noch nicht gekommen. Dass die Auseinandersetzung eigentlich immer zu spät kommt, zu welchem markanten Ereignis auch immer, das nimmt man aus einem Ausstellungsrundgang mit einer gewissen Bedrückung mit.

Keinerlei Selbstzweifel hegten jedenfalls jene begeisterten Hitler-Anhänger, die am Tag nach dem Anschluss eindeutige Inserate in Tageszeitungen gestalteten. Für sein großes Projekt, das der in New York lebende Deutsche Hans Haacke 1988 in Graz, der „Stadt der Volkserhebung“, realisierte, hat der Künstler solch haarsträubende Faksimiles gezogen und auf Hakenkreuze so appliziert, dass die eigentliche Swastika-Form nicht mehr erkennbar ist. Da warb ein Transportunternehmen mit „Nationalsozialisten übersiedeln“ für seine Dienste! Wer da wohin übersiedelt wurde, das wissen wir Nachgeborenen.

Damals glaubte man ja noch: „Wir sind der Baum, an dem die Früchte reifen“. So heißt es in einem BDM-Lied von 1938, wogegen Adorno im selben Jahr hellsichtig notierte: „Man spricht vom drohenden Rückfall in die Barbarei.“ Zwei Historiker, Albert Lichtblau und Markus Weiglein, waren auch für die Ausstellung tätig und haben Zitate gesammlet von 1918, 1938 und 1968. Es lohnt, die Augen von den Fotos, Graphiken und Videos nach oben zu richten. In einem deutschen und englischen Spruchband laufen diese Sätze über alle Wände. Der Zitaten- und Text-Sammler Albert Lichtblau verweist darauf, dass in jedem dieser Jahre ein schier ungebremstes Aufbruchs-Gefühl geherrscht habe. Die Ernüchterung folgte mehr oder weniger schnell, auch für die 1968er. „Wenn man von einer Monarchie den Monarchen weglässt, ist das schon eine Republik“, meldete Hermann Bahr 1018 seine Zweifel an, und fünfzig Jahre später Thomas Bernhard: „Der Staat ist ein Gebilde, das fortwährend zum Scheitern … verurteilt ist.“

Der Satz „Am Ende hängt die Zukunft vom Gleichgewicht zwischen Macht und Phantasie ab“ fiel auch 1968. Sonst droht Apokalypse, wie sie Max Beckmann in der gleichnamigen Lithoserie während des Zweiten Weltkriegs oder Otto Dix in seinen Radierungen „Der Krieg“ nach dem ersten Fanal des 20. Jahrhunderts abgeliefert hat.

Viel wirklich Prominentes findet sich in der Schau. Bei weitem nicht spektakulär, aber wesentlich: Das Künstlerkollektiv Dorit Magreiter/Mathias Poledna/Florian Punhösl/Hans Küng hat ein paar Textblätter geschaffen, „Ohne Titel“ zwar, dafür mit Untertitel „Analyse zur Berichterstattung zum Mühl-Prozess“. Wie viele Attribute, Ehren- und Unehrenbezeichnungen wurden dem Kommunen-Gründer Otto Mühl doch nachgesagt, zuletzt bleibt nur noch „Gefängnis – Das Opfer“. Wie sagen die Ausstellungsgestalterinnen so schön: In diesen Werken spiegelt sich immer der Neubeginn, aber auch immer der Weg in neue Katastrophen. Nun denn, wir schreiben 2018...

Bis 7. Oktober im Museum der Moderne Mönchsberg – www.museumdermoderne.at
Bilder: Museum der Moderne / Generali Foundation / Bildrecht, Wien 3); dpk-krie (1)