Recycling der Zeitung in der Kunst

MdM MÖNCHSBERG / PRESS ART

02/07/10 Den Schweizer Peter Nobel zeichnet ungemeiner Sammlerfleiß aus. Was er sammelt, hat mit Zeitung zu tun, die Schau im Museum der Moderne auf dem Mönchsberg heißt demnach "Press Art".

Von Werner Thuswaldner

Freilich muss jemand, der im Museum der Moderne auf dem Mönchsberg Raum um Raum mit Werken der Kunst des 20. Jahrhunderts füllen kann, auch über die entsprechenden Mittel verfügen. Unter der Fülle von Arbeiten finden sich nämlich nicht in der Hauptsache solche, die bloß von Schweizer Künstlern von regionaler Bedeutung stammen, nein Nobel kann auch mit den großen Namen aufwarten: Braque, Leger, Giacometti, Corbusier, Schwitters, Miro, Beuys, Christo und so fort. Letzterer hat aus einer New York Times und aus einem „Spiegel“ jeweils schön geschnürte, kleine Pakete gemacht. Es sind nicht Hauptwerke der jeweiligen Künstler, auf die ein Museum, befänden sie sich in ihrer Sammlung, stolz sein würde, aber immerhin.

Das Kriterium von Peter Nobels Sammeltätigkeit lautet: Die Sachen müssen etwas mit den Massenmedien, vor allem mit der Zeitung, zu tun haben. Nobel hat ein Faible für die Zeitung. So kommen etwa Bilder in Frage, die Menschen zeigen, wie sie gerade Zeitung lesen. Die großen Künstler im Paris der zwanziger Jahre saßen viel im Cafe und lasen Zeitung.  Aber auch Collagen, in denen Zeitungsausschnitte Verwendung finden, oft in ironischer, manchmal auch in ästhetischer Absicht, spielen eine große Rolle. Je mehr Hintersinn im Spiel ist, desto lieber hat es Peter Nobel.

Nachdem der Erste Weltkrieg mit den alten Wertvorstellungen aufgeräumt hatte, wollten viele Künstler ganz neue Wege gehen. Sie suchten die Nähe zum Volk, sie machten keinen Unterschied mehr zwischen hoch und niedrig und wollten, dass sich die Kluft zwischen Kunst und Alltag möglichst schließe. Die Zeitung wurde als vorteilhaftes Transportmittel gesehen, um breite Massen für die Kunst zu interessieren. Manchmal dienten Zeitungsseiten als Malgrund, manchmal wurden Zeitungsschnipsel collagiert. Es macht ja so viel Spaß, Textfragmente aus alten Ausgaben zu entziffern.

In Russland begann nach der Revolution 1917 eine ausgedehnte Propagandaoffensive für die neue politische Ideologie, und die Künstler - Malewitsch, Majakovski - stellten sich freudig in ihren Dienst. Die Dadaisten trieben eine Menge Schabernack, das Ausschlachten von Zeitungen gehörte dazu.

Bemerkenswert ist die Initiative der „Nationalzeitung“, die über einen längeren Zeitraum hinweg jeweils eine Seite einem bestimmten Künstler zur Verfügung gestellt hat.

Knallig aufgemachte Frontseiten geben, wenn die Titelschrift fünf Zentimeter hoch und die Schlagzeile dazu noch rot unterstrichen ist, allein schon grafisch etwas her. „50 Zürcher Millionäre zahlen keine Steuern“ - wenn ein Künstler das aufgreift, kann er dem Skandal noch größeren Nachdruck geben. Mit Finanz- und Bankenskandalen haben wir es nicht erst heute zu tun. Die Schweizer sind damit seit langem vertraut. Die zitierte Schlagzeile stammt aus dem Jahr 1977.

Die Schau ist auch eine Art Zeitreise durch das 20. Jahrhundert. Nach dem wichtigen Jahr 1989 fand eine einschneidende Änderung statt: Im Zeichen der Globalisierung wurden auf einmal auch andere Regionen der Welt sichtbar. So etwa rückt China in den Blickpunkt.

Die Ausstellung kann empfohlen werden. Viel Zeit lässt sich darin verbringen. Eine gute Konstitution ist für jeden und jede nötig, der oder die sich nicht von der Fülle erschlagen lassen will.

Bis 24.10.2010 im Mdm Mönchsberg – www.museumdermoderne.at

Bilder: MdM