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Nelsons Schiff in einer Flasche

MUSEUM DER MODERNE MÖNCHSBERG / YINKA SHONIBARE

01/06/21 Rokoko-Korsett und Reif-Rock. Redner-Robe und Empire-Gewand: Alles in kräftigen Farben und üppigen Mustern, die man sofort als „typisch afrikanisch“ erkennt. Nur stammen die herrlichen Stoffe ursprünglich aus Indonesien und werden bis heute in den Niederlanden erzeugt. Yinka Shonibare, hochdekorierter britischer Künstler mit afrikanischen Wurzeln, nimmt Klischees auf's Korn. Ironisch bunt, ganz ohne Anklage – und trifft bis ins Mark.

Von Heidemarie Klabacher

Mehr Ehrung geht fast nicht: Yinka Shonibare, 1962 in London geboren, in Nigeria aufgewachsen, kehrte mit Siebzehn nach London zurück, studierte dort Kunst, wurde inzwischen nicht nur zum Member, sondern 2019 auch zum Commander of the Order of the British Empire erhoben und 2013 zum Mitglied der Royal Academy of Arts gewählt. Die Kürzel all dieser Titel und Ehren trägt Shonibare als Namenszusatz. Nicht aus Gründen der Eitelkeit, wie unsereiner den „Hofrat“, sondern der Ironie und Brechung wegen: Yinka Shonibare sieht sich „aufgrund seiner multikulturellen Herkunft in der Rolle des postkolonialen Hybriden“, erfährt man in der grandiosen Ausstellung End of Empire im Museum der Moderne Mönchsberg.

Anschaulich, bunt, zugleich verfremdend befremdlich nimmt dieser Ausnahmekünstler die Selbstverständlichkeit eurozentristischer Haltungen auf's Korn. Während seines Studiums sei er, so Shonibare mit der Erwartung konfrontiert worden, seinen „afrikanischen“ Hintergrund in seiner künstlerischen Praxis zu thematisieren.

In den 1990er-Jahre stieß er auf jene knalllbuten Dutch-Wax-Batikstoffe, die er seitdem auf und in seinen Arbeiten verwendet, um seine Ansichten zu Kolonialismus und Postkolonialismus nicht klar, sondern bunt zu machen. „Die Stoffe werden meist als authentisch afrikanisch wahrgenommen. Ihren Ursprung haben sie jedoch in Indonesien.“ Shonibare verwendet Textilien der 1846 gegründeten bis heute die meisten dieser Stoffe produzierenden niederländischen Firma Vlisco (man kann sich kaum sattsehen auf deren Website). „Materialien aus kolonialem Kontext können sich wandeln und zu Vehikeln der Selbstermächtigung werden.“ So fasste MdM-Direktor Thorsten Sadowsky, der die Ausstellung zusammen mit Marijana Schneider kuratiert hat, eine faszinierende, sich selbst entlavrende historische Entwicklung zusammen.

Mit der Skulptur Revolution Kid greift Shonibare noch weiter aus, als „nur“ bis zu Kolonialmus, Eurozentrismus und Co: Die Figur mit einem Kalbskopf trägt einen Anzug im viktorianischen Anzug-Schnitt, knallbunt natürlich, in der rechten Hand eine goldene Pistole.

Die Pose ist die des Knaben neben der französischen National-Heldin Marianne in dem berühmten Gemälde Die Freiheit führt das Volk von Eugène Delacroix, anspielen wolle der Künstler mit seiner Arbei aus 2012 auf den Arabischen Frühling, erklärt MdM-Direktor Sadowski. Das muss einem gesagt werden. Hilfreich auch zu erfahren, dass der Kopffüßer tatsächlich eines jener Fabelwesen aus der mittelalterlichen Buchmalerei ist, eine der Figuren von den Rändern der Mappa Mundi, die nun gemütlich mit dem Fallschirm landen: „Was diffamierend gemeint war, wird ironische umgedeutet.“

Das meiste im Werk von Yinka Shonibare CBE ist freilich selbsterklärend in Witz und Ironie. Seien es Canonball Heaven aus 2011, die ikonografischen Cowboy Angels aus 2017 oder die kopflosen bzw. mit einem Globus als Kopf gezierten Skulpturen, die gerne griechische Bildhauer der Antike zitieren. End of Empire aus 2016 gibt der Schau ihren Titel: Zwei Globusköpfige auf einer Wippe. Wer wohl Oberhand behält? Dafür fehlt in The Crowning das zu krönende Haupt. Dafür ist alles da, was das Rokoko ersonnen hat., inkulsive Chanel-Logo auf einer Schatulle.

Yinka Shonibare - End of Empire - verlängert bis 3. Oktober - www.museumdermoderne.at
Bilder: dpk-klaba

 

 

 

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