Schau-Schmankerln aus vierhundert Jahren

DOMQUARTIER / PLUS

04/02/22 Der hölzerne Rechenapparat mit den auf Rollen gemalten Ziffern ist – wie so vieles in dieser Schau zur vierhundertjährigen Geschichte der Universität Salzburg – leider nicht im Original zu sehen. Aber seine Geschichte hat was.

Von Reinhard Kriechbaum

Diese Urform von Taschenrechner (es musste damals noch eine ziemlich geräumige Tasche sein) hat sich Aegidius von Raitenau ausgedacht. Und der war nicht irgendein weitschichtiger Verwandter des Erzbischofs Wolf-Dietrich, sondern ein leiblicher Sohn. Gezeugt vom Landesfürsten mit Salome Alt. Dieser Aegidius, Abkömmling von einem, der de jure nie und nimmer hätte Vater sein dürfen, schlug die geistliche Laufbahn ein, damit war man quasi reingewaschen vom Makel der unehelichen Geburt. Er trat in den Benediktinerorden ein. Sein Rechenapparat, mit dem man multiplizieren und dividieren konnte, befindet sich im Stift Kremsmünster.

Zwischen Salzburg und Kremsmünster gab es mannigfaltige universitäre Beziehungen. Das auffälligste Relikt ist das „Hochhaus“ nahe dem Stift, die Sternwarte. Dieses Bauwerk hat Anselm Desing entworfen, seines Zeichens Professor in Salzburg. Hierorts begeisterte Desing seine Studenten mit der „Laterna magica“.

Das Jubiläum einer Universität, die 1622 begründet wurde (jedenfalls trägt das päpstliche Gründungsdokument dieses Datum), mit Ende des Fürsterzbistums passé war und erst 1962 wieder errichtet wurde? Darf man da wirklich von vier Jahrhunderten Universitätsgeschichte sprechen? Ja freilich, lautet die offizielle Antwort. Weil zumindest Theologen sind die ganze Zeit hindurch am Ort ausgebildet worden, wie auch immer die genaue Rechtskonstruktion ausgesehen hat.

In das Spannungsfeld zwischen Kirche und Staat wird man schnell hinein gezogen in dieser Ausstellung. Im ersten Raum sitzt ein (kleiner) Bischof, in Bronze gegossen von Giacomo Manzù. Gegenüber werden auf drei (riesengroßen) Bildschirmen aktuelle Wissenschafts-Leistungen der heutigen Universität herausgestellt: von der Allergie- und Krebsforschung bis zur Digital Motion im Sport- und Fitnessbereich, von der archäologischen Lehrgrabung in Aegina bis zur Algorithmentheorie und der interaktiven „Salzburger Music Map“.

Die Jubiläumsausstellung ist nicht unraffiniert aufbereitet und wesentlich weniger historisch-trocken, als man das eigentlich befürchtet. Sie ist unmittelbar an Personen und deren Leistungen festgemacht. Das „Amtliche“, also die Universitätsgründung und ihre Reliquien von den beiden Szeptern bis zum Kardinalshut des Schutzheiligen Carlo Borromeo, kommt erst im allerletzten Raum, dem Rupertus-Oratorium.

Sehr unterschiedliche Leute sind umgegangen auf der Universität. Da hängt als erstes (!) ein Porträt von Joseph Woelfl. Der hat nicht nur als Pianist mit Beethoven konkurriert, sondern auch ein Metronom erfunden, das im Gegensatz zu jenem von Mälzel nicht tickte, sondern lautlos funktionierte: „Pendulum“ hieß das Ding, und damit ist die Funktion auch schon beschrieben. Das zweite Porträtbild zeigt Joseph Mohr. Der ist als Student oder Wissenschafter nicht weiter aufgefallen, aber er hat „Stille Nacht“ getextet. Ein dichterischer Kollateralerfolg.

Und weil wir schon bei Erfolg sind, gleich ein krachender Misserfolg. Leopold Mozart hat auch hier studiert, aber er war wohl eher nicht der Uni-Typ. Man kann es bekanntlich auch als Studienabbrecher zu etwas bringen. Leopold Mozart ist nicht Bundeskanzler geworden, sondern prominenter Geigenlehrer und Coach eines genialen Sohns. Wolfgang Amadè war als Wunderkind mit Noten so eingedeckt, dass er gar nicht erst an Salzburgs Universität inskribierte.

Thesenblätter sind Kupferstiche mit Allegorien und den Fragestellungen, die Studenten zu beantworten, zu verteidigen hatten. Ein gewisser Carl Joseph von Guttrath war 1741 so stolz auf sich und seinen Studienabschluss, dass er ein weit über mannshohes Thesenblatt in Auftrag gab. Ein Salzburger Intelligenz-Hochstapler?

Eine Wachsbüste zeigt den Mozart-Zeitgenossen Pater Dominicus Beck. Der war ein Experimentalphysiker auf der Höhe seiner Zeit, der Salzburger Benjamin Franklin: Er hat auf dem Schloss Mirabell den ersten Blitzableiter montieren lassen. Hat gut funktioniert, das Schloss ist nicht wegen Blitzschlags abgebrannt, sondern mit dem ganzen Stadtteil, weil ein Köchin unaufmerksam mit dem Herdfeuer umgegangen ist.

Schmankerln zuhauf, von den Gründungsjahren im Frühbarock bis zu den Hochschulwochen als „smarter Sommerfrische“. Ganz wichtig in Sachen Kultur: Der erste „Jedermann“ wurde 1632 im Benediktinertheater der Universität aufgeführt. In dieser Version hieß der gottlose Kerl Anastasius. Die Tanz-Sammlung der Friederica Derra de Moroda (1897-1987) macht was her. Immerhin kann man Tanzschuhe zeigen, die Fanny Elßler trug. Wer denkt schon dran, dass ausgerechnet der „aufklärerische“ Erzbischof Colloredo an der Salzburger Universität eine Malerakademie einrichten ließ? Aus dieser Zeit besitzt die Universität eine Entwurfszeichnung von Veronese und einige Skizzen von Palma il Giovane für Fresken im Dogenpalast. Schade, dass man die nicht herzeigt. Das hat wohl konservatorische Gründe.

Maria Plain war einst gedacht als „Sommerfrische“ für die Professoren an der Benediktineruniversität. Max Gandolph legte den Grundstein, und für den hohen Herrn hat man die Griffe von Kelle und Maurerhammer mit Samt in Kardinalspurpur überzogen.

PLUSpunkte. 400 Jahre Universität Salzburg -  bis 31. Oktober im Nordoratorium im DomQuartier Salzburg – www.domquartier.at
Bilder: DomQuartier / Hubert Auer (2); dpk-krie (2)
Zur Buchbesprechung
Magen an Leber: Weniger Fleisch essen!