Ein Leben lang inmitten des Theaters

MUSEUM DER MODERNE / RUTH WALZ

04/08/23 Neidisch könnte man werden. Was hat Ruth Walz, diese begnadete Theaterfotografin, nicht alles an der damals von Peter Stein geleiteten Berliner Schaubühne hautnah sehen dürfen! Ab 1970 war sie dort als „Freie“ tätig, von 1976 bis 1990 als Hausfotografin angestellt. Zwanzig Theaterjahre an einem Ort, wo Aufführungsgeschichte geschrieben wurde.

Von Reinhard Kriechbaum

Pressefoto: Salzburger Festspiele / Ruth Walz. Wie oft haben wir das in den Laptop getippt. Ein vertrauter Name, und vor allem ein Name, der für eine ganz besondere Qualität stand und steht. Wenn Ruth Walz ein Foto freigibt, dann schwingt auf dem betreffenden Bild immer etwas von der Seele der Inszenierung, des szenischen Arrangements und natürlich auch vom Charisma der jeweiligen Bühnenmenschen mit. „Für mich war es immer besonders wichtig, bei einer Inszenierung keine fremde Instanz zu sein, die nur ein Ergebnis festhält, sondern als teilnehmende Beobachterin den Entstehungsprozess von Beginn an mitzuverfolgen und auch mitzutragen“, so Ruth Walz.

Der jetzt 82jährigen Künstlerin, deren Theaterfotografie so unendlich viel mehr ist als illustrative Zuarbeit für Theaterleute, Impresarii und Journalisten, widmet das Museum der Moderne am Mönchsberg über den Sommer und bis in den Herbst hinein eine repräsentative Ausstellung. Langzeit-Festspielgäste könnten da schon in Verzückung geraten, so viel Vertrautem begegnet man da. Fotoserien, etwa Jessye Norman in der legendären Produktion von Schönbergs Erwartung, 1995 in der Ära Mortier. Oder, damals am gleichen Abend zu sehen, eine Szene aus Bartóks Herzog Blaubart, mit den kargen optischen Zeichen von Robert Wilson. Ein gutes Vierteljahrhundert später, 1922 von Castellucci in Szene gesetzt, hat der Blaubart ganz anders ausgesehen.

Gerade, weil Ruth Walz ihr ganzes Leben lang ganz nah dran war an der Arbeit der Allerbesten im Regietheater, spiegeln sich in ihren Fotos Interpretations-Entwicklungen und Modeströmungen. Da ist – um in Salzburg zu bleiben – etwa der Wozzeck. 1997 hat Peter Stein die Bühne ausgeräumt und in einem beengenden Zimmer-Guckkasten inmitten ein kaltes, sezierendes Licht auf diese Figur gerichtet. Im Sommer 2017, unter William Kentridge, hatte die Wozzeck-Bühne eine düstere und geradezu wimmelbildhafte Anmutung. Solche Szenerien könnte man in dieser Ausstellung dutzendfach beschreiben.

Aber das Entscheidende sind und bleiben die Menschen. Ruth Walz hat sie nicht nur auf der Bühne, in der jeweiligen Rolle abgelichtet. Sie war ja bei vielen Proben und anderen Vorbereitungen dabei. Es sind keine Porträts entstanden, sondern immer Momentaufnahmen. Schauspieler, Regisseure, Dirigenten hochkonzentriert oder gerade in Moment der Gelöstheit. Da hockt Peter Handke in einer Pause total entspannt neben Edith Clever, leider eine Aufnahme ohne Datum. Jedenfalls ist's lange her, jung wie beide da aussehen. Achim Freyer plaudernd mit Markus Hinterhäuser, der damals, in der Mortier-Zeit, noch das Festspiel-Binnen-Festival Zeitfluss ausgerichtet hat. Wir wandern im Museum der Moderne durch mindestens vierzig Jahre Salzburger Festspielgeschichte.

„Für Bruno Ganz, wen sonst?“ Das hat Thomas Bernhard als Widmung des Theaterstücks Die Jagdgesellschaft geschrieben. Für Ruth Walz war Bruno Ganz nicht nur ein zu beobachtender genialer Schauspieler – die beiden waren Lebensgefährten, bis zu seinem Tod 2019. Klar also, dass wir Bruno Ganz in dieser Ausstellung in vielen seiner Glanzrollen begegnen. Bei den Festspielen hat er 1972 übrigens auch in einem Stück von Thomas Bernhard debütiert, Der Ignorant und der Wahnsinnige.

Und die Bühnen-Dingwelt? Weil die Personale für Ruth Walz Vorhang auf betitelt ist, haben die Kuratorinnen Barbara Herzog und Kerstin Stremmel viel Theaterfotografie mit Vorhängen zusammengetragen. Das Plakatmotiv Denn alle Lust will Ewigkeit hat ein Pasticcio-Abend von Franz Wittenbrink geheißen, für den die Arkaden im Residenzhof dekorativ verhängt wurden. Vorhänge wehten freilich oft und sehr dekorativ, von Katja Kabanova 1998 über die Salome 2018 bis zum Jedermann, letzterem in einer Impression, die Ruth Walz vom Turm der Franziskanerkirche, also von der Position eines Jedermann-Rufers aus, gemacht hat. Eine originelle Perspektive auf das Altstadtzentrum zur blauen Stunde.

Vorhang auf! Theaterfotografie von Ruth Walz. Bis 12. November im Museum der Moderne Salzburg auf dem Mönchsberg – www.museumdermoderne.at
Bilder: Museum der Moderne Salzburg / Ruth Walz