Wie grün sind deine Blätter…

DOMMUSEUM / O TANNENBAUM

29/11/13 Ein Theologe in Deutschland hat einmal von den Evangelischen als „Tannenbaumreligion“ gesprochen. Das meinte er als Tadel. Stimmt schon: Wäre es nach der katholischen Kirche gegangen, hätten wir wohl keinen Christbaum, und Strohsterne schon gar nicht.

Von Reinhard Kriechbaum

134Franz Jakob Koch hat er geheißen, der erste Christbaum-Aufsteller in Salzburg. Ein aus Württemberg stammender Spitzenhändler. Ein Evangelischer. Das war erstens deshalb typisch, als der Christbaum aus dem evangelischen Raum kommt, und auch insofern, als das Christbaum-Aufstellen ein genuin städtischer Brauch war. Der erste Christbaum war1814 in Wien „ruchbar“ geworden, wie Spitzel dem Staatskanzler Metternich berichteten. Herr Koch war mit seinem Christbaum 1826 ziemlich früh dran. Einer der frühesten bildlich überlieferten Christbäume stand 22 Jahre später, 1848, in Ried im Innkreis, im Haus eines Kaufmanns namens Rappolter. Wer weiß, ob man sich den Luxus eines Ölbildes geleistet hätte, wäre Herr Rappolter nicht ausgerechnet an einem 24. Dezember geboren worden.

Dieses nette und detailreiche Biedermeier-Gemälde ist eine der Leihgaben heuer in der Weihnachtsausstellung im Salzburger Dommuseum. „O Tannenbaum“ heißt sie, und sie erzählt auch davon, dass das katholische Verhältnis zum Baum so friktionsfrei nicht war. Es wäre 136wohl besser, würden sich die Gläubigen um den Beichtstuhl versammeln als um den Christbaum, wetterte man noch 1886 in der Salzburger Kirchenzeitung. Gegen 1900 war der Tannebaum aber doch schon so gut eingeführt, dass er auch als weihnachtlicher Schmuck in den katholischen Kirchen Salzburgs aufgestellt wurde.

Könnte nicht doch alter Zweigsegen im Christbaum stecken? Schön wär’s, wenn man so etwas beweisen könnte. Im bäuerlichen Raum hat man öfters mal Bäumchen verkehrt herum aufgehängt (in Kärnten macht man das immer noch). Aber diese „Weihnachtstachse“, um 180 Grad gedreht und ins Christbaumkreuz gesteckt, reicht nicht aus, um den Christbaum zu erklären. Es fehlte natürlich nicht an katholischen Interpretationen: „O radix Jesse“ heißt es in der dritten O-Antiphon in der letzten Adventwoche: „Wurzel Jesse“, „Lebensbaum“ – das waren plausible katholische Erklärungsversuche, die geeignet waren, davon abzulenken, dass der Christbaum eben durch und durch protestantischerBrauch-Import ist.

135Reisig hat man freilich auch bei uns schon ausgelegt, und schon 1525 hat Erzbischof Matthäus Lang „des Weihnachts Grün“ verboten. Aber das hat eben nichts mit unseren Tannenbaum zu tun. Da steckt Zweigsegen der dahinter. Dass man beim „Paradiesspiel“, am 24. Dezember – einst dem Namenstag von Adam und Eva – ein Bäumchen mit Äpfeln und Oblaten behängte, hat mit der Erinnerung an den Sündenfall zu tun. Zu unschön, um von da her eine Linie zum Christbaum zu ziehen.

137Die schönen Dinge des weihnachtlichen Lebens rund um den Christbaum: Aus dem Salzburg Museum hat man ein paar Beispiele repräsentativen Christbaumschmucks geborgt: Kugeln aus Lauscha (eine beherbergt ein Vogelnest) und Perlen-Objekte aus Gablonz. Oder simple Kartonscheiben, die mit Glitter bestäubt sind. Solchen Billigdekor hatte die Wiener Zuckerlfirma Heller um die Jahrhundertwende im Sortiment. „Dresdner Pappe“ ist auch ein Begriff, es sind plastische Objekte eben aus geprägtem Papier. Wo die Strohsterne herkommen, klärt natürlich auch diese Ausstellung nicht. Aufgeklärte Volkskundler haben den Nazis im Verdacht.

A propos Nationalsozialismus: Zu Herz geht das Faksimile einer Zeichnung eines jüdischen Kindes aus Theresienstadt. Das Mädchen hat ein Christbäumchen gezeichnet und daneben ein Päckchen an einen gewissen Ivo Rosenbaum – darauf steht nicht nur sein Name, sondern auch die Nummer des Judentransports, mit dem er Richtung Gaskammer befördert wurde.

Bis 6. Jänner im Salzburger Dommuseum - www.kirchen.net/dommuseum
Bilder: dpk-krie