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32 Meter Stoff fürs rechte Drehmoment

RESIDENZGALERIE / DIE KLEIDER DER BUHLSCHAFT

16/04/15 Da steht man also vor, genauer: hinter dem tollen Kleid, das Sunnyi Melles 1990 als Jedermanns Gespielin getragen hat. Als Theaterkritiker kann man sich den Vorwurf an sich selbst nicht ersparen: Das Bürzel dieser Buhlschaft wäre damals einen eigenen Absatz wert gewesen.

Von Reinhard Kriechbaum

Sorry, er ist mir damals leider nicht aufgefallen: der hinter den beiden mächtigen Pobacken-Gewölben aus fuchsiafarbenem Seidentaft eingearbeitete Zierrat aus Organza-Rüschen. Einen männlichen Modemuffel lässt er an einen geflochtenen Pferdeschweif denken. Der Premierengast widmete die Aufmerksamkeit anderem - angesichts dieser besonders blassblonden Buhlschaft mit, so ich mich recht erinnere, sehr intensiver Ausstrahlung.

„Die Kleider der Bühlschaft“ heißt die neue Schau in den Nordoratorien des Doms. Die Residenzgalerie und die Festspiele haben da gemeinsam zur Weiterbespielung dieser Räume im DomQuartier beigetragen. Keine Sorge: Die Buhlschafts-Kleider sind nicht Lockmittel zu kunsthistorischen Pflichtübungen in Sachen G’spusi. Hier geht es wirklich nur um Textilien.

Acht Buhlschafts-Kostüme schweben im Raum. Unter diese vorwiegend rote Kleidergruppe (nur Veronika Ferres war in rosafarbenes Tuch gehüllt und Sophie von Kessel tanzte in sattem Blau völlig aus der Reihe) hat sich ein einziges anderes, höchst außergewöhnliches Kostüm eingeschlichen: Nur ein Mal in der Jedermann-Geschichte hat nämlich eine Dame – Ulrike Folkerts – den Tod gespielt. Und wie man einen solchen gerne als Knochenmann darstellt, wurde bei ihr die Krinoline bis aufs Drahtgerüst abgenagt.

Die kunsthistorische Perspektive kommt erst am 10. Juli ins Spiel. Die große Sommer/Herbst-Ausstellung in der Residenzgalerie wird den Titel tragen „Verführung: Verlockende Schönheit – tödlicher Reiz“. Da geht’s dann in der Malerei einschlägig durch die Jahrhunderte.

Von der Buhlschafts-Kostüm-Ausstellung ist vielleicht enttäuscht, wer Blicke weit zurück in die „Jedermann“-Geschichte erwartet hat. Die Festspiele haben nämlich die Gewänder für diese Paraderolle keineswegs von Beginn an gesammelt. Nicht einmal ab jenen Jahren, da sich der „Jedermann“ als Dauer-Zugpferd und die Rolle der Buhlschaft als Promi-Faktor ersten Ranges heraus kristallisierte. Alles vor 1990 landete im Kostümabverkauf oder sonst irgendwo.

Für die effektvolle Schwebe-Präsentation eignete sich auch nicht jedes der insgesamt zwölf erhaltenen Kleider. Jenes von Sophie Rois und auch das der Marie Bäumer hätten ohne leibhaftigen Schauspielerinnen-Inhalt nichts hergegeben, erklärt Dorothea Nicolai, die Kostüm-Chefin der Festspiele. Sie und Erika Oehring von der Residenzgalerie haben die Schau zusammengestellt.

Am meisten macht das aktuelle Buhlschaft-Kleid der Brigitte Hobmeier her. Es wird eigens von einem Ventilator angeblasen. Aber selbst wenn es flattert, ahnt man als Laie nicht, dass da nicht weniger als 32 Meter Stoff verarbeitet sind. Den bringt dann doch erst Brigitte Hobmeier in temperamentvoller Bühnenaktion zur vollen Wirkung.

Ah ja, über das Wort Buhlschaft denkt man auch zu wenig nach. Vom mittelhochdeutschen „buole“ leitet es sich ab, und das heißt Schlafplatz. Die Buhle ist eine Beischläferin. Klingt irgendwie unromantisch. Da ist das italienische Wort „Lussuria“ schon entschieden attraktiver.

„Die Kleider der Buhlschaft“ - Ausstellung der Residenzgalerie im Nordoratorium des Doms als Teil des Domquartiers - bis 1. November – www.residenzgalerie.at; www.domquartier.at
Bilder: dpk-krie

 

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