Mit Weichspüler zum Triumph

FESTSPIELE / WEST-EASTERN DIVAN ORCHESTRA / BARENBOIM

12/08/16 Es ist ja doch ein Friedens- und kein Widman-, Wagner- oder gar Mozart-Projekt: Daniel Barenboim und sein West-Eastern Divan Orchestra bekamen dennoch Ovationen für Widmann, Mozart und Wagner.

Von Heidemarie Klabacher

„Con brio“ hat gleich nach seiner Uraufführung 2008 einen Flächenbrand entfacht und wurde alsbald eine der meist aufgeführten Kompositionen von Jörg Widmann: Die Konzertouvertüre für Orchester ist ein Funken sprühendes Feuerwerk zwischen Pauke und Bläsern über bockigem Streichersatz. Ganz dem Geiste Beethovens geschuldet, ohne Beethoven auch nur einen Takt lang direkt zu zitieren, besticht das Werk durch permanenten Schlagabtausch zwischen Scherzofuror und Bläserpracht. Letztere entfaltet sich immer nur für Augenblicke als ironisch gebrochener An-Klang.

Bei den Salzburger Festspielen stand Con brio in einer Woche gleich zwei Mal auf dem Programm: Der junge Dirigent Aziz Shokhakimov, der Gewinner des Nestlé and Salzburg Festival Young Conductors Award, hat mit seiner temperamentvollen, die Werkstrukturen präzise offen legenden Interpretation die Latte recht hoch gelegt. Freilich ist auch die Camerata Salzburg musikalisch-technisch ein ganz anders Kaliber, als das Friedensprojekt West-Eastern Divan Orchestra. Im unmittelbaren Vergleich jedenfalls kam die Lesart von Daniel Barenboim und den Seinen gar wenig präzise und schlagkräftig daher.

Martha Argerich, angekündigt mit Franz Liszts erstem Klavierkonzert, hat kurzfristig abgesagt. Eingesprungen im Großen Festspielhaus ist Daniel Barenboim als Solist in Mozarts Konzert für Klavier und Orchester B-Dur KV 595. Zu Gehör gebracht wurde ein Barenboim’scher Mozart in gewohnt weichgespülter Manier. Durchaus schöne Momente brachten etwa die weit ausgreifend musizierten Linien des Larghetto oder das heitere Frühlingstreiben im finalen Allegro. Der solide, aber wenig präsente und kaum einmal aufglänzende Streicherklang des West-Eastern Divan Orchestra fällt bei einer solchen Pretiose besonders ins Gewicht.

Das geplante Liszt-Konzert hätte jedenfalls auch dramaturgisch besser zum darauf folgenden Wagner-Wunschkonzert gepasst: Die Ouvertüren zu Tannhäuser und Meistersinger umrahmten Morgendämmerung, Siegfrieds Rheinfahrt und Trauermarsch aus der Götterdämmerung.Die aufgeregt absteigenden Streicherlinien und der sich mit frommer Selbstverleugnung dagegen stemmende Bläser-Choral am Ende der Tannhäuser-Ouvertüre wollten nicht immer in ein gemeinsames Taktschema passen.

Reizvoll immerhin waren die mit spannungsvollen Crescendi aufgetürmten Teile aus dem Ring. Hier reüssierten die an allen Pulten hervorragenden Bläser des West-Eastern Divan Orchestra. Daniel Barenboim und die Seinen entwickelten farben- und detailreiche Historiengemälde von beeindruckender Intensität. Ob für das Friedens- oder das Orchester-Projekt - der Jubel war jedenfalls schier grenzenlos.

Bild: Salzburger Festspiele / Marco Borrelli